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„Wir wollen einfach nicht nach Zinnwald umziehen“

In Neurehefeld im Osterzgebirge sind weitab von dem nächsten Ort 23 Flüchtlinge untergebracht. Eine Ankündigung bringt sie jetzt in Rage.

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© SZ

Von Mandy Schaks

Neurehefeld/ Dippoldiswalde. Es ist ein Tag, an dem man keinen Hund vor die Tür schickt. Die Sonne weiß nicht, ob sie sich im oberen Osterzgebirge heute noch blicken lässt. Das Thermometer zeigt in Neurehefeld gerade mal sechs Grad. Am anderen Ende der Welt, vielleicht fünfzig Meter von der tschechischen Grenze entfernt, stehen Stühle am Straßenrand. Ein paar Flüchtlinge sitzen darauf, andere bleiben davor stehen. Hinter ihnen am Absperrzaun, der um das Asylbewerberheim gezogen ist, hängen Plakate, mit Hand beschrieben, in schlechtem Deutsch. Doch jedem, der das liest, ist sofort klar: Diese Asylbewerber wollen nicht in die Gemeinschaftsunterkunft nach Zinnwald ziehen.

Das Landratsamt, das für die Unterbringung der Asylbewerber zuständig ist, hatte Ende vergangene Woche angesichts stark rückläufiger Flüchtlingszahlen entschieden, das Heim in Neurehefeld am 31. Oktober zu schließen und die noch verbliebenen 23 Asylbewerber nach Zinnwald zu bringen. Die Behörde hat am 17. Oktober an die Bewohner einen Brief geschickt und sie über die Pläne informiert. „Unsere bisherigen Erfahrungen besagen, wir müssen den Leuten das schwarz auf weiß in die Hand geben“, sagt Tilo Georgi, der Leiter der Ausländerbehörde. Informationsveranstaltungen würden da nicht viel bringen.

Der Brief hat allerdings für Aufruhr gesorgt – und keiner ahnte etwas. Als Werner Orbanz von der Initiative Asyl am gestrigen Vormittag vorbeifuhr, um einige Flüchtlinge zu erinnern, dass er sie am Nachmittag zum Deutschunterricht im Europark Altenberg abholt, glaubt er, seinen Augen nicht zu trauen. „Da sitzen die hier draußen“, sagt er sichtlich erregt. „Ich denke, ich falle um.“ 16 von den 23 Asylbewerbern waren ab 10 Uhr in den Sitzstreik getreten, um gegen den Umzug nach Zinnwald zu protestieren. „Wir sind hier fast ein Jahr“, erzählt Mirmirza Kabirzada aus Afghanistan. „Wir haben hier einen guten Platz.“ Nach Zinnwald wolle er nicht – da gebe es aus seiner Sicht die gleichen Probleme, zum Beispiel mit dem Einkaufen. „Wir wollen eine eigene Wohnung oder in ein besseres Heim.“ Andere wollen nichts mit Kriminalität zu tun haben, Probleme, die sie im Zinnwalder Heim befürchten. Berwan Mariwan Shafiq aus Kurdistan übersetzt das Stimmenwirrwarr. Er will für die Lage seiner Mitbewohner Verständnis schaffen – selbst hat der 19-Jährige, der seit zehn Monaten in Neurehefeld lebt, kein Verständnis für den Sitzstreik. „Ich finde Zinnwald gut“, sagt er. „Die Leute hier verstehen nicht, was gut für sie ist.“ Bei den Behörden, der Heimleitung und selbst bei der Initiative Asyl herrscht unterdessen große Ratlosigkeit. Die Altenberger und die Flüchtlingshelfer waren froh, dass das Asylbewerberheim in Neurehefeld schließt. Denn das Haus liegt weit weg und macht unter den Bedingungen Integration schwierig. Ein Jahr haben sie darum gekämpft, auch weil Heimbewohner selbst die Zustände beklagten. Das weiß auch Amtsleiter Georgi: „Wir haben sogar Informationen vom sächsischen Flüchtlingsrat, dass sich Leute beschwert haben und hier nicht wohnen wollten.“ Gegen 14 Uhr trifft er in Neurehefeld ein, hört den Flüchtlingen zu und erklärt ihnen ruhig die Lage: „Es gibt keine Alternative.“ In Zinnwald seien noch freie Plätze, außerdem sei da auch alles vorhanden, was sie brauchten, ob Deutschkurse, Sozialarbeiter, Einkaufsmöglichkeiten … Und derzeit gebe es dort keine Flüchtlinge, „die strafrechtlich große Probleme bereiten“. Nach kurzer Zeit geben die Flüchtlinge auf. 14.35 Uhr kehren alle friedlich in ihre Unterkunft zurück.