Merken

Singende Männerwelt

Im Juli 1847 gründet sich der Allgemeine Dresdner Sängerverein. Bei Konzerten macht die geballte Stimmkraft Eindruck.

Teilen
Folgen
© Repro: Susanne Knaack

Von Jana Mundus

Dresden. In der großen Gastwirtschaft des Großen Gartens sind alle Plätze besetzt. Sonore Töne hallen durch den Raum. Das Publikum ist begeistert und applaudiert. Manch einer summt bei bekannten Volksliedern mit. Es ist eines der beliebten Konzerte des Allgemeinen Dresdner Sängervereins, das da im Mai 1848 in der Dresdner Parkanlage stattfindet. Johann Wilhelm Hartung leitet das Konzert und hat dafür auch die zwei von ihm geführten Musikkorps eingeladen. Gesangsvereine hatten im 19. Jahrhundert Hochkonjunktur in Dresden. Während die einen lieber unter sich blieben, gab es andere, die die stimmlichen Kräfte vereinten. Im Juli 1847 gründete sich deshalb der Allgemeine Dresdner Sängerverein. Damit waren nun Konzerte einer neuen Qualität möglich.

Für viele Chöre in Nord- und Mitteldeutschland war die von Carl Friedrich Fasch 1791 gegründete Berliner Singakademie Vorbild. Bis dato sangen meist nur die Kantoreien in den Kirchen. Nun traf man sich in geselliger Runde und musizierte zusammen. Der Hoforganist Anton Dreyßig gründete 1807 in Dresden die Dreyßig’sche Singakademie, einen gemischten Chor. Auch mehrere Männerchöre entstanden. Viele Chöre luden immer wieder zu öffentlichen Konzerten ein, darunter der Männergesangsverein „Orpheus“, die Steuber’sche Akademie, der Singverein „Vor dem Schwarzen Thor“ oder die Mokritz’sche Singakademie.

Alle Augen auf Wagner

Einer der bekanntesten Chöre war die Dresdner Liedertafel. Wohl auch wegen ihrer berühmten Chorleiter. Ab Ende 1842 gibt kein Geringerer als Richard Wagner den Ton an. Seine Forderung an die singenden Männer: Sie sollten regelmäßig zur Probe erscheinen. Beim Männergesangsfest 1843 in der Frauenkirche präsentiert Wagner erstmals mit 1 200 Sängern sein „Liebesmahl der Apostel“. Doch Wagners Verpflichtungen als Hofkapellmeister sind zu umfangreich. Schon 1845 legt er deshalb sein Amt als Chorleiter nieder. Ein paar Jahre später übernimmt der Komponist Robert Schumann 1847 den Posten des ersten Liedermeisters bei der Liedertafel. Doch wegen Arbeitsüberlastung und mangelndem Interesse an der „ewigen Quartsext-Akkord-Singerei“ gibt er die Leitung schon nach elf Monaten wieder ab.

In seine Zeit fällt allerdings die Gründung des Allgemeinen Dresdner Sängervereins, den auch Schumann mit auf den Weg brachte. Fünf Dresdner Männerchöre treten dem Verbund bei: neben der Liedertafel auch die Chöre Orpheus, Liederkranz, Arion und Odeon. Konzerte werden seitdem oft gemeinsam durchgeführt. Neben Liedern, die die Chöre einzeln singen, gibt es auch Stücke, bei denen alle Stimmen vereint erklingen. Beim sommerlichen Konzert im Großen Garten im Mai 1848 bringen sie unter anderem Schumanns „Freiheitslied“ zu Gehör.

Die Folgen des Dresdner Maiaufstandes 1849 gehen auch an den Chören in Dresden nicht spurlos vorbei. Die Mitgliederzahlen sinken. Um die Folgen der Revolution zu mildern, arrangiert der Allgemeine Dresdner Sängerverein im Juli 1849 ein Benefizkonzert. Die Einnahmen spenden die Vereinsmitglieder betroffenen Familien. Als am 21. September in Coburg der Deutsche Sängerbund gegründet wird, ist auch der Sängerverein aus Dresden dabei. Die Delegation kehrt mit einer frohen Botschaft in die Heimatstadt zurück: das erste Deutsche Sängerbundesfest soll 1865 in Dresden stattfinden. Das sängerische Großereignis findet vom 22. bis 25. Juli 1865 in einer Festhalle auf der Elbwiese am Waldschlößchen statt. Mit dabei sind 16 000 Sänger aus 353 Vereinen.

Doch bald darauf schwindet das Interesse am Chorgesang in der Bevölkerung. Nach dem preußisch-österreichischen Krieg 1866 steht vielen nicht mehr der Sinn nach diesen Dingen. Viele Chöre leiden an Mitgliederschwund. Die Dresdner Liedertafel tritt Ende Juli 1867 aus dem Allgemeinen Dresdner Sängerverein aus. Damit verliert der Verein eine wichtige Stütze. Trotzdem erholt sich die Chorszene in der Stadt. Ihre Vielfältigkeit ist bis heute geblieben. Die Wurzeln vieler Chöre reichen ins 19. Jahrhundert zurück. So entstand etwa 1884 die Dresdner Singakademie. Vor drei Jahren feierten die 130 Sänger den 130. Geburtstag ihres Chors.