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Angeklagter schickte SMS aus U-Haft

Im Prozess um den Mord an Anneli sagen nun Tatortspezialisten aus. Es gibt Streit über die Rolle des Komplizen.

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Von Thomas Schade

Dresden. Der Prozess um den Mord an der Unternehmertochter Anneli Riße am Dresdner Landgericht ist fast jeden Tag für eine Überraschung gut. Nach einer Verhandlungspause sorgt die Vorsitzende der Schwurgerichtskammer Birgit Wiegand am Montag selbst für überraschende Neuigkeiten. Sie dürften der Leipziger JVA peinlich sein. Denn ihr Insasse Markus B., Annelis mutmaßlicher Mörder, war offenbar bis vor Kurzem im Besitz eines Handys. Das ist illegal. B. verschickte munter SMS aus dem Knast – auch an seinen bisher unbekannten Stiefbruder. Dem wurde das zu viel, er informierte das Gericht. Man habe daraufhin eine Untersuchung veranlasst, so Birgit Wiegand. Dabei seien Beamte fündig geworden und hätten das Handy beschlagnahmt. Derzeit werden die Handydaten von der Kripo ausgewertet.

Für die Nebenklage im Anneli-Prozess ist auch Norbert K. ein Mörder.
Für die Nebenklage im Anneli-Prozess ist auch Norbert K. ein Mörder. © action press

Die heimliche Kommunikation könnte für den Angeklagten zu einem Schuss ins eigene Knie werden. Denn die Ermittler stießen auf zwei neue Zeugen, die nun geladen werden, um Auskunft über die Persönlichkeit des Angeklagten zu geben. Bisher versucht Markus B., durch beharrliches Schweigen sein Leben zu verschleiern.

In der Beweisaufnahme am siebenten Verhandlungstag konzentriert sich die Kammer auf den Ort des Verbrechens – jenen Hof in Lampersdorf bei Wilsdruff. Dort musste Anneli vermutlich stundenlang mit Kabelbindern gefesselt in einer Scheune ausharren, während Markus B. vergeblich versuchte, an das Lösegeld von 1,2 Millionen Euro zu kommen, das er von Familie Riße gefordert hatte. Wie er die 17-jährige Schülerin umbrachte, kann am Montag nicht geklärt werden, da die sachverständige Rechtsmedizinerin erkrankt ist.

Ungewiss bleibt an diesem Tag auch, seit wann die Polizei auf dem Bauernhof nach Anneli suchte. Klar ist nur, dass ein Spezialeinsatzkommando und Bereitschaftspolizisten fast 24 Stunden vergeblich versucht hatten, Anneli zu finden.

Erst als der Mitangeklagte Norbert K. nach seiner Festnahme am Montag in einer Vernehmung verriet, wo Anneli war, wurde die Tatortspezialistin der Dresdner Polizeidirektion zu Hause alarmiert. 17.21 Uhr habe sie die Tatortgruppe des Landeskriminalamtes nach Lampersdorf gebeten, gegen 18 Uhr sei sie selbst vor Ort gewesen, so die Beamtin vor Gericht. Da hatte ein Bereitschaftspolizist die Leiche des Mädchens bereits entdeckt. Er war außen um den Hof herum gelaufen. An einer Mauer, die eine Lücke zwischen dem Stall und einem großen Nebengebäude verschließt, war ihm ein frischer Sandhaufen aufgefallen. Er habe eine dünne Schicht beiseite gewischt und sei auf Haut gestoßen, so die Zeugin.

Ein Mitarbeiter der Tatortgruppe des Landeskriminalamtes schildert dem Gericht, wie man die Tote bei strömendem Regen geborgen hat. Erst nach Mitternacht sei sie von einem Bestattungsunternehmen unter Polizeischutz in die Gerichtsmedizin gebracht worden. Schon zu Beginn der Bergung sei man weitgehend sicher gewesen: Die Tote war Anneli. „Es gab nichts, was dagegen sprach“, so die Zeugin der PD.

Da die Fachleute den Hof in Lampersdorf mit einem Laserscanner dreidimensional vermessen haben, kann der Zeuge des LKA den Tatort auf großen Bildern auf einer Leinwand anschaulich beschreiben. Anneli habe unbekleidet auf dem Bauch gelegen. Um ihren Körper habe ein Spanngurt gelegen, um ihren Hals seien Kabelbinder geschlungen gewesen. Vom angrenzenden Feld habe man den Fundort der Leiche kaum einsehen können. Büsche mussten entfernt, ein Baum entästet werden.

Mit neuen Anträgen machen am Montag Nebenklage und Verteidigung ihre Sicht auf die Rolle von Norbert K. in dem Fall deutlich. So sieht Nebenklagevertreter Kay Estel nunmehr auch den Vorwurf des Mordes durch Unterlassung bei K. als erfüllt an. Der Verteidiger des 62-Jährigen, Andrej Klein, möchte nach dem bisherigen Prozessverlauf die Anklage gegen seinen Mandanten abmildern. Norbert K. habe nicht tatsächlich an den Verbrechen mitgewirkt und könne deshalb nur wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub angeklagt werden. Wann die Kammer dazu rechtliche Hinweise gibt, ist offen. Der Prozess wird am 29. Juli fortgesetzt.