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Simmels DDR-Welt in der Kritik

Die fehlende geschichtliche Aufklärung wird bemängelt. Sehen das die Besucher auch so?

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© Sven Ellger

Von Sarah Grundmann

Dresden/Radebeul. Die Reise durch die „Welt der DDR“ beginnt im Klassenzimmer. Bei einer kleinen Geschichtsstunde startet die Führung durch das neue Museum am Albertplatz. Kurz, knapp, mit den wichtigsten Fakten und ohne Reflexion – so lässt sich zumindest die abgespeckte Variante der Führung beschreiben, die kürzlich die Neustädter Ortsbeiräte erlebten. Schon während der ersten Minuten ging immer wieder ein Raunen und Murmeln durch die Reihen. Nicht jedem gefiel, was er hörte.

„Auch in einer Diktatur haben Menschen einen Alltag erlebt, der Teil ihrer persönlichen Identität geworden ist. Daran darf man natürlich erinnern“, sagt Klemens Schneider (Grüne). Es sei aber wichtig, dass diese Erinnerungen auch kritisch beleuchtet werden. „Die Ausstellung bedient leider nur jene ,ostalgischen‘ Sehnsüchte und blendet die Probleme und Zwänge des Lebens in einem autoritären Regime aus.“ Der Politiker wünscht sich, dass zumindest die Schautafeln noch einmal von Historikern überarbeitet werden.

Christoph Meyer (SPD) sieht das ähnlich. „Wer authentisch erleben möchte, wie Alltagsleben in der Mangelwirtschaft DDR aussehen konnte, ist dort am rechten Ort. Wer tieferes historisches Fachwissen und eine kritische Einordnung erwartet, ist dort fehl am Platz“, sagt der Politiker. „Das Ganze spricht – auch aufgrund der Gegenüberstellung mit der aktuellen Warenglitzerwelt im gleichen Hause in Sichtweite gegenüber – für sich selber.“

„Kritiken nehmen wir positiv an und arbeiten damit“, sagt Gabi Reißig, Mitarbeiterin aus dem Simmel-Team. Sie hat sich um den Umzug des Museums aus Radebeul gekümmert und ist Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um die Ausstellung. Die Führungen seien seit dem Eröffnungstag am 29. Januar buchbar. Eine Gruppe von bis zu 20 Personen zahlt dafür 30 Euro, größere Gruppen 60 Euro. Für die Führungen engagiert wurde die Firma Marienhof Kulturservice. Dahinter steckt der Dresdner Erhard Riedel, der auch schon durch die Radebeuler Einrichtung führte.

Seit 2000 ist Riedel freiberuflich als Städteführer tätig – als absoluter Quereinsteiger. Zunächst lernte Riedel einen Bauberuf, später folgte ein Studium an der Theaterhochschule Leipzig sowie die Arbeit bei der Defa, dem Staatsschauspiel und der Staatsoperette. Für diesen Job als Stadtführer qualifiziert ihn hauptsächlich, dass er in Dresden geboren und aufgewachsen ist. Außerdem schrieb er eine „Forschungsarbeit und Veröffentlichung über eine historische Persönlichkeit aus dem Umfeld des Sohnes Augusts des Starken“, heißt es auf der Internetseite vom Marienhof Kulturservice. Damit sei ein intensives Studium der sächsischen Geschichte verbunden gewesen, heißt es weiterhin.

Prinzipiell sei man mit den Führungen und dem Know-how der Mitarbeiter zufrieden, sagt Gabi Reißig vom Simmel-Team. „Wir haben unseren Partner aber – unabhängig von der Führung des Neustädter Ortsbeirates – um eine Neuvorlage seines Führungskonzeptes gebeten und ihm konkrete Passagen benannt, die von Besuchern anders verstanden werden können, als sie gemeint sind“, so Reißig. „Ziel ist, in einer völlig wertfreien Präsentation die Tatsachen sachlich darzustellen – nicht zu politisieren, zu beeinflussen oder zu beschönigen.“ Ein DDR-Museum ohne Wertung?

Die Besucher vom Eröffnungstag scheint die fehlende Einordnung nicht zu stören. Bei einer Befragung durch die SZ, an der rund 100 der etwa 600 Besucher teilnahmen, bekam die geschichtliche Aufklärung die Schulnote 1,71. Auch Ambiente, Authentizität und Gesamt-Gestaltung landeten im Einser-Bereich. Allein das Preis-Leistungs-Verhältnis schnitt mit der Note 2,11 etwas weniger gut ab. „Die Ausstellung wird weiter optimiert“, so Reißig. „Das betrifft auch die Eintrittspreise.“ Konkretes kann sie aber noch nicht sagen.