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Sieben Stück in drei Wochen

Im Ortsteil Pinnewitz hat ein Ehepaar immer öfter ungebetenen Besuch. Deshalb stehen nun Fallen im Garten.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Nossen. Seit einem Jahr kommen immer mehr und diese immer häufiger auf die Grundstücke des etwas abgelegenen Pinnewitzer Wiesengrundes. „Sie durchstöbern mehrmals in der Woche unsere Mülltonnen, klettern auf Bäume und suchen dort nach Fressbarem, plündern die Milchnäpfe unserer Katze“, sagt ein Mittsiebziger mit weißem Haar. Mit seiner Frau wohnt der Mann seit 1950 im Nossener Ortsteil Pinnewitz. So schlimm wie jetzt, sagen beide, ist es mit dem Waschbär noch nie gewesen.

Mit zwei solcher Fallen wird in Nossen-Pinnewitz versucht, der Waschbär-Plage Herr zu werden.
Mit zwei solcher Fallen wird in Nossen-Pinnewitz versucht, der Waschbär-Plage Herr zu werden. © privat

Wie das Ehepaar könnten auch die Nachbarn von umgestoßenen Mülltonnen, durchstöberten Dachböden und mehr werdenden Begegnungen mit dem putzigen Säugetier berichten. Unter Nennung des Namens über die Probleme zu reden, das wollen sie nicht. „Weil wir nicht falsch verstanden werden wollen. Wir lieben Tiere, zumal Waschbären wirklich süß sind. Aber so, wie es jetzt ist, geht es nicht weiter“, sagt die Ehefrau des Mittsiebzigers und streichelt auf ihrer Terrasse ihre Katze, die dankbar schnurrt.

Wegen der bis zu neun Kilogramm schweren Tiere muss gehandelt werden. Das weiß sie spätestens seit einem Erlebnis vor wenigen Wochen. „Nachts halb zwei hörte ich es im Garten plötzlich poltern und bin aufgeschreckt.“ Aus dem Fenster im ersten Stock habe sie dann nach unten in zwei Augenpaare geschaut. „Die zwei Waschbären haben direkt zu mir hoch geguckt. Sie saßen beide mitten auf unserem Gartentisch“, berichtet die Pinnewitzerin. Im Garten würden die ungebetenen Allesfresser oft täglich umherlaufen – immer auf der Suche nach Futter.

Meistens leerten bis zu fünf Tiere gleichzeitig auch die Fressnäpfe der Hauskatze, die auf dem Grundstück stehen. Ein Fehler, weiß Sven Herzog, Professor für Wildtierökologie an der TU Dresden. Die Zunahme von Katzen und dem Herausstellen von Leckerlis und Milch für die Haustiere, locke Waschbären an. In ganz Sachsen, so Herzog, wachsen die Bestände derzeit extrem schnell an.

„Seit ein, zwei Jahren ist es in den Bäumen in unserem Garten still. Davor haben hier Dutzende Vögel gezwitschert. Wir hatten Buntspechte, kleine Singvögel, Eichelhäher. Jetzt gar nichts mehr“, sagt der Hausbesitzer traurig. Dass Waschbären Vogeleier rauben, ganze Nester plündern, sei ja kein Geheimnis.

„Wir haben auch ein bisschen Angst um unsere Katze. Nicht, dass es mal eine Begegnung mit hungrigen Waschbären gibt. Außerdem wollen wir nicht, dass die Tiere unsere Dämmung unter dem Dach beschädigen“, sagt er. Auch Parasiten können Waschbären mit sich tragen. Sie können über Haustiere als Wirt auch auf den Menschen übergehen. Das Ehepaar habe deshalb einen Bekannten der Familie – einen Jäger im Kreisjagdverband Meißen – nach Hilfe gefragt. Seit einem knappen Monat stellt er kostenfrei zwei Kasten-Fallen für ihren Garten zur Verfügung. Die länglichen Fallen ködern den Waschbären.

„Am besten sind dafür Gummibären geeignet, da stehen die Tiere drauf“, sagt der Pinnewitzer. Wenn die Säuger dem Drang nach der Süßigkeit nicht widerstehen können, lösen sie durch ihr Gewicht einen Mechanismus aus. Eine kleine Falltür schnappt nach unten und sperrt das Tier ein. „In den letzten drei Wochen haben wir sieben Waschbären auf diese Weise gefangen. Meistens spät abends.“ Immer wenn ein Tier in die Falle getappt sei, habe er den Jäger angerufen. Der sei dann gekommen und habe den Waschbär mit einem Schuss zur Strecke gebracht. Seit 15. Juni dürfen gefangene Waschbären durch Jäger wieder geschossen werden, bis dahin galt eine Schonfrist für die Aufzucht von Jungtieren. „Wir sind sehr dankbar für die Hilfe und wünschen uns endlich eine Abschussprämie für die Jäger. Hier muss sich was tun, schließlich kosten Fallen 200 Euro und der Bedarf steigt“, sagt der Rentner.

Doch das sei ein sehr sensibles Thema, weiß Karsten Schlüter, Vorstand des Kreisjagdverbandes Meißen (KJV). Eine Abschussprämie oder öffentliche Zuschüsse werden etwa durch den Deutschen Jagdverband (DJV) gefordert. Bisher gibt es aber keinen Durchbruch. „Weil seit geraumer Zeit Jäger oder andere Bürger, die berechtigt mit dem Waschbären umgehen, Anfeindungen ausgesetzt werden, die eventuell durch die Presse unterstützt werden, möchte ich dazu nichts sagen“, so Schlüter. Für Informationen zum Waschbär verweist er auf das Landratsamt. Die Zahlen, die Sachbearbeiter Thomas Vogelsang von der Unteren Jagdbehörde herausgibt, zeigen einen rasanten Anstieg. Wurden 2006 im Landkreis 80 Waschbären gefangen und geschossen, waren es fünf Jahre später bereits 697, in 2016 sogar 2 057 Tiere.

Dieser Trend dürfte weiter anhalten. Die Bestände zu regulieren, obliegt den Jägern. Doch die kommen – ohne öffentliche Unterstützung – kaum hinterher.