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„Sie trugen die operative Hauptlast“

Warum die Kreisdienststellen für die Stasi so wichtig waren, weiß Dr. Peter Boeger von der Stasi-Unterlagenbehörde.

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Herr Dr. Boeger, welchen Stellenwert hatten die Kreisdienststellen im Gesamtgefüge des Ministeriums für Staatssicherheit?

Die Kreisdienststellen hatten die operative Hauptlast zu tragen. Ihre Mitarbeiter kannten die örtlichen Gegebenheiten. Die regionalen Kontakte waren dabei sehr wichtig. Ohne sie wäre eine flächendeckende Überwachung durch das Ministerium für Staatssicherheit allein aus Berlin oder auch Dresden niemals möglich gewesen.

Die Listen von 1989 weisen gerade mal 66 hauptamtliche MfS-Mitarbeiter für den Kreis Riesa aus ...

Die Referate

Die Arbeitsbereiche in den Kreisdienststellen wurden in Referaten festgelegt, die vorher Arbeitsgruppen hießen. In der KD Riesa dürfte es mindestens fünf Referate gegeben haben. Die bislang gefundenen Akten geben keinen genauen Aufschluss.

Definitiv gab es das Referat „Information und Auswertung“, das alle Informationen auswertete und speicherte. Es stellte unter anderem Informationen für Partei und Rat des Kreises zusammen, erstellte aber auch Statistiken über die Anzahl von Inoffiziellen Mitarbeitern oder Operativen Vorgängen.

Weitere Referate gab es nach bisherigem Recherchestand für die Bereiche „Volkswirtschaft und Industrie“, „Spionageabwehr“, „Territorialsicherung“ sowie für „Sicherheitsüberprüfung/Ermittlungstätigkeit“. (SZ)

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Von der Besetzung der Kreisdienststellen darf man sich nicht irritieren lassen. Die Staatssicherheit arbeitete auf staatlicher Ebene eng mit anderen Organen der Kreisverwaltung zusammen, vor allem mit der Volkspolizei. Die Staatssicherheit konnte so viele Aufgaben delegieren, ohne dabei selbst in Erscheinung treten zu müssen.

Dazu kommen noch die Inoffiziellen Mitarbeiter, die das System aufrecht erhielten. Gibt es hier Auffälligkeiten bei der Kreisdienststelle Riesa?

Zuerst muss man sich vergegenwärtigen, dass die Kreisdienststellen insgesamt die Hälfte aller Inoffiziellen Mitarbeiter der Stasi in der DDR geführt haben. Auch das zeigt den hohen Stellenwert dieser Einheiten. Laut unserer Statistik besaß das MfS in der Kreisdienststelle Riesa zuletzt 728 aktive IMs. Damit spitzelte etwa jeder 130. Bürger im Kreis Riesa für die Stasi. Im Vergleich mit anderen Kreisdienststellen liegt Riesa damit etwa im Durchschnitt. Auch, wenn uns dazu keine konkreten Zahlen vorliegen, können wir sicher sein, dass es in Riesa weitere IMs gab, die von anderen Diensteinheiten wie der Bezirksverwaltung Dresden geführt worden sind.

Die Kreisdienststelle war jederzeit für Bürger ansprechbereit. Was können die Riesaer für Gründe gehabt haben, freiwillig zur Lommatzscher Straße zu gehen? Waren das Denunzianten?

Die gab es sicher. Aber nicht nur. Bürger sahen im MfS häufig ihre letzte Hoffnung, wenn sie Probleme hatten – vielleicht, weil sie keine Wohnung erhielten oder sich über lebensgefährliche Maschinen im Betrieb beschwerten, die nicht repariert werden. Man hoffte auf die Allwissenheit der Geheimpolizei. Doch die wollte in Wahrheit mit den Niederungen des Alltags meist nichts zu tun haben. (SZ)

Alle Teile dieser Serie finden Sie unter: www.szlink.de/stasi