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„Sie rettete einfach nur das nackte Leben der Kinder“

Ein Radeberger hofft auf Hilfe für eine fünfköpfige Familie auf der Flucht aus der Ost-Ukraine.

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© Kurt Simmchen

Von Jens Fritzsche

Plötzlich rückt die ferne Ukraine ganz nah heran. Der Radeberger Kurt Simmchen lebt seit etlichen Jahren im kleinen Dörfchen Beresivka nahe der ukrainischen Stadt Halitsch – jener Stadt, die seit einiger Zeit auf Betreiben Simmchens auch eine freundschaftliche Beziehung zur Bierstadt aufgebaut hat. Und der Radeberger hofft nun, dass das Schicksal einer Familie aus dem derzeit heftig umkämpften Gebiet in der Ostukraine, die seit wenigen Tagen in Beresivka Unterschlupf gefunden hat, die Radeberger berührt und zur Hilfe animiert. Noch bis Sonnabendvormittag ist Kurt Simmchen bei seiner Mutter in Radeberg – und versucht hier nun, für die Familie mit ihren vier Kindern Decken, Hausrat und Betten zu besorgen. „Vielleicht hat ja jemand etwas übrig, das würde dieser bitter armen Familie wirklich helfen“, hofft Kurt Simmchen auf Unterstützung.

Dorfbewohner sammelten für die fünfköpfige Familie zumindest das Notwendigste. Aber das genügt bei Weitem nicht.
Dorfbewohner sammelten für die fünfköpfige Familie zumindest das Notwendigste. Aber das genügt bei Weitem nicht. © Kurt Simmchen
In diesem lange leer stehenden Häuschen in Beresivka kam die Mutter mit ihren vier Kindern auf ihrer Flucht nun unter.
In diesem lange leer stehenden Häuschen in Beresivka kam die Mutter mit ihren vier Kindern auf ihrer Flucht nun unter. © Kurt Simmchen

Seit über fünf Monaten, erzählt der Radeberger, ist die Mutter mit ihren drei Söhnen und der Tochter auf der Flucht vor dem Krieg. Der jüngste der Söhne – er ist vier Jahre alt – ist zudem schwer krank. „Er wirkt wie ein Zweijähriger“, schildert der Radeberger. Ihren Namen will die Frau lieber nicht in einer Zeitung lesen, sagt Kurt Simmchen dann, „aus Angst um den Vater der vier Kinder, der noch mitten im Kriegsgebiet nahe der umkämpften Stadt Donezk ausharrt“. Um das Leben der Kinder zu retten, hatte sich die Mutter Ende Juni mit ihnen auf den Weg gemacht, um zunächst in der westukrainischen Großstadt Ivano Frankivsk einen Unterschlupf zu finden. „Als junge Frau hatte sie dort mal eine Ausbildung absolviert, deshalb kennt sie die Stadt“, beschreibt Kurt Simmchen. Gut zwei Wochen lang war sie dort mit ihren Kindern in einem Kloster untergekommen, dann ging ihre Flucht weiter in ein Auffanglager im Nachbarland Georgien. „Aber auch dort konnte sie nicht für längere Zeit bleiben und sie kam zurück in die Nähe von Halitsch, wo dann der für unser ukrainisches Dorf zuständige Pfarrer auf das Schicksal der Familie aufmerksam wurde – und mich fragte, ob ich helfen könne“, so Kurt Simmchen. „Natürlich hat mich das Schicksal berührt, natürlich habe ich mit angepackt“, sagt er.

Im Dorf fand sich jedenfalls ein seit gut anderthalb Jahren leer stehendes Haus. Feucht, kalt und nicht wirklich groß. Kurt Simmchen kümmerte sich als erstes um Heizmaterial, reparierte den alten Kachelofen, organisierte zunächst ein paar alte Bettgestelle, strich die Lehmwände mit frischer Farbe, um den Neuankömmlingen zumindest ein wenig wohnliche Atmosphäre zu schaffen. „Damit haben die Kinder und ihre Mutter nun erst mal eine Bleibe – bis sie irgendwann, so ihre Hoffnung, wieder nach Hause können, wenn Frieden ist“, beschreibt er. Aber wann das sein wird, wisse derzeit in der Ukraine einfach niemand. „Dort tobt wirklich harter Krieg, mitten in Europa“, fügt der Radeberger an.

Besonders tragisch sei, beschreibt Kurt Simmchen dann, dass sich das Schicksal der Familie zu wiederholen scheint. „Denn schon nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatten die Großeltern der jungen Mutter aus ihrer Heimat fliehen müssen!“ Die Familie lebte in den Karpaten, in der damaligen Grenzregion zwischen Polen und der Ukraine. Und als Sowjet-Diktator Stalin nach Kriegsende dann auf seiner politischen Landkarte Polen einfach ein Stück nach Westen verschob, damit die Ukraine mehr Platz bekommen sollte, mussten nicht nur Millionen Deutsche Schlesien verlassen, sondern wurden auch die Großeltern der jungen Mutter in die Nähe von Donezk deportiert, mussten sich dort eine neue Existenz aufbauen. „Und nun muss ihre Enkeltochter erneut fliehen, ein Jammer“, erzählt Kurt Simmchen kopfschüttelnd.

Nun hofft er, in Radeberg noch bis Sonnabendvormittag ausreichend Hilfsgüter für die Familie sammeln zu können. „Auch etwas Schokolade für die Kinder zur Weihnachtszeit wäre toll“, sagt er. Wer ihn unterstützen will, könne einfach anrufen, sagt er. „Mein Handy ist immer an!“

Kurt Simmchen ist in Radeberg über die deutsche Handy-Nummer 0173 7901031 zu erreichen.