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Sie hat die Schnitzeljagd neu erfunden

Die von Anja Gena entwickelten Stadtführungen kommen ohne Guide und Startzeit aus. Das macht sie so beliebt, auch bei Firmen.

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© Ellen Tuerke

Von Ines Mallek-Klein

Wann genau sie selbst zuletzt eine bezahlte Stadtführung erlebt hat, weiß Anja Gena nicht mehr genau. „Es ist Jahre her, vielleicht Jahrzehnte“, sagt sie und kippt einen Schluck Biomilch in den schwarzen Kaffee. Dabei sind Stadtführungen etwas Tolles. Man ist unterwegs, mit Freunden, Familie oder Kollegen, lernt Neues kennen, sammelt Eindrücke und führt nette Gespräche. Und genau deshalb hat Anja Gena begonnen, selbst Führungen zu entwickeln und zu verkaufen.

Wer die 38-Jährige in ihrem Laden an der Waldschlößchenbrücke besucht, der trifft auf ein großes schneeweißes Regal, gefüllt mit kleinen Kästchen, nicht größer als eine Brotbüchse. Sie passen bequem in die Damenhandtasche und erst recht in einen Wanderrucksack. Die kleinen Schatzkästchen, oder besser ihr Inhalt, weisen den Weg durch die Städte. 29 Touren hat Anja Gena schon entwickelt, allein drei verschiedene führen durch ihre Geburtsstadt Leipzig. Es gibt aber auch Angebote für Berlin, Hamburg, Dresden, Wien oder Meißen, Radebeul und Moritzburg. Die Tour für Prag ist gerade erschienen. Anja Gena nutzte die Sommermonate für ihre Recherchen. Die macht sie vor Ort und achtet auf Details, die in keinem Reiseführer stehen. „Genau das macht unsere Touren so besonders“, sagt sie. So hat sie, auf den Spuren von Kafka wandelnd, herausgefunden, dass der Nobelpreisträger einst die Schulbank mit dem Dichter Franz Werfel geteilt hat. Die Recherche sei wie ein großes Puzzle, sagt Anja Gena. Alles fügt sich, erst für die Erfinderin der Schnitzeljagd und dann für die Teilnehmer.

Ihre Kunden findet die zweifache Mutter über das Internet. Zwei Drittel sind auf der Suche nach einer Geschenkidee oder einem Angebot für eine Familienfeier. Immerhin jedes dritte Stadtspiel wird von einem Unternehmen bestellt, für den alljährlichen Betriebsausflug, eine Teambildungsmaßnahme oder als Mitarbeitergeschenk.

Eine preiswerte Variante. Die kleine Stadtführung durch Städte wie Dresden und Leipzig gibt es für 24 Euro. Die Tagestour durch größere Städte wie Hamburg und Berlin kostet 29 Euro, und bis zu maximal zwölf Leute können eine Box nutzen. In ihr finden sich verschlossene Umschläge sowie zwei Postkarten. Auf der einen wird der Spielablauf kurz erklärt, auf der anderen finden die Spieler eine genaue Wegbeschreibung zu ihrem Startpunkt. Und dann kann es losgehen. Mit welchem der verschlossenen und durchnummerierten Briefumschläge, steht dann fest, wenn die erste Frage beantwortet ist. Zum Beispiel nach dem Namen des Theaterkahns in Dresden. Der heißt übrigens nicht Canaletto, sondern Marion.

Von Station zu Station können sich die Spieler so auf eine interessante Erkundungstour begeben. Wichtig sind Details. Die finden sich oft weder im Reiseführer noch im Internet. Und das wird manchen Schülern zum Verhängnis. Sie gehen während des Wandertages lieber shoppen, als die einzelnen Stationen abzulaufen. Wenn dann das World Wide Web nicht weiterhilft, klingelt im Büro von Anja Gena schon mal das Telefon in der Hoffnung auf Hilfestellungen.

Das Besondere an den Stadtspielen: Sie können ganz individuell durchgeführt werden. Das macht sie auch als Geschenk so beliebt.

Die Idee entstand vor etwa acht Jahren. Anja Gena war eigentlich noch in der Elternzeit, als ein Bekannter sie bat, etwas Außergewöhnliches für seinen Geburtstag zu planen. Anja Gena entwickelte eine Tour, die so zwar nie stattgefunden hat. Aber es war die Geburtsstunde ihrer Schnitzeljagden. Das Organisationstalent scheint der Unternehmerin in die Wiege gelegt zu sein. Schon während ihres Studiums in Dresden musste sie perfekt planen, denn ihren Studiengang mit Soziologie, Geografie, Pädagogik und dem Zusatzstudium Lateinamerika gab es so gar nicht. Die Stunden und Prüfungen mussten also abgestimmt und koordiniert werden. Das angehäufte Wissen über Steine oder Vulkane hilft heute eher weniger. „Damals habe ich gelernt, komplexe Abläufe zu strukturieren,“ sagt Gena.

Sie überstürzte ihre Entscheidungen nicht, ließ die Vermarktung der Schnitzeljagden langsam wachsen und verdient damit seit 2013 so viel Geld, „dass man davon leben kann“. Mittlerweile ist ihr Unternehmen auf vier Mitarbeiterinnen angewachsen. Die sind auch nötig, vor allem in der Vorweihnachtszeit, wenn täglich Geschenkboxen mit den Stadtspielen verschickt werden. „Jetzt beginnt unsere Hauptzeit“, sagt Anja Gena. Einige Stadtspiel-Touren werden in kleinen Auflagen von 50 oder 100 Stück gedruckt. Dazu kooperiert Anja Gena mit einer kleinen Druckerei in Dresden. Sortiert und verpackt werden die Karten von Hand. Vielleicht macht sie das so besonders. Denn mittlerweile hat Anja Gena einige ihrer Schnitzeljagden schon auf Ebay zum Weiterverkauf entdeckt. Und auch Dresdner Hotels hat sie als Partner gewonnen, die ihren Gästen das Spiel anbieten.

Sorge, dass ihr die Arbeit ausgeht, hat Anja Gena nicht. Sie plant weitere Touren in neuen Städten. Potsdam ist ein Wunschkandidat, Frankfurt am Main ein anderer. Die Recherche nimmt viel Zeit in Anspruch und führt zu einem unglaublichen Wissenszuwachs. „Leider ist der nicht von Dauer, er wird immer wieder durch den Input aus den Städten überlagert, für die wir gerade recherchieren“, sagt Anja Gena.

Ob die Recherchen übrigens stimmen und sich damit auch Laien zurechtfinden, testet die Unternehmerin mit Freunden, der Familie oder den eigenen Kindern. Die gaben übrigens auch die Inspiration für die Kids-Touren, die es mittlerweile in Leipzig, Berlin, Hamburg und Dresden gibt.

Weitere Informationen zu den Touren und die Geschenkboxen selbst finden Sie unter www.stadtspiel-schnitzeljagd.de.