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Sicher auf dem Gipfel

Pirnas Polizeichef Mirko Göhler hilft, das Treffen der G7-Finanzminister in Dresden abzusichern.

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© Ronald Bonß

Von Jörg Stock

Krieg in der Großstadt! Pflastersteine hageln, Streifenwagen lodern, kaum eine Kreuzung, an der nicht eine Barrikade oder wenigsten eine Mülltonne brennt. Die Straßenschlacht bringt Hunderte Verletzte und Millionenschäden. Die schlimmste Randale seit Jahrzehnten, sagt der Polizeichef.

Szenenwechsel: Dresden, Polizeihauptquartier Schießgasse. Ein Saal, verdunkelte Fenster, säuselnde Lüfter, leises Tastaturgeklapper. Polizeirat Mirko Göhler sitzt in seinem Stuhl, den Kopf in die linke Hand gestützt, auf der Monitorwand hinter ihm die Nachrichten: Gendarmen stochern in Flugzeugtrümmern, Steinmeier schüttelt Hände, Regen nieselt auf Paris. Die Monitore haben sicher auch jene Kriegsbilder aus Frankfurt/Main gezeigt. Am 18. März wollten Globalisierungsgegner den Büroturm der Europäischen Zentralbank stürmen, den Bankchef Draghi gerade einweihte. In Göhlers Kopf scheinen die Szenen noch einmal abzulaufen. „Diese sinnlose, blinde Wut“, sagt er. „Einfach erschreckend.“

Mirko Göhler, 42 Jahre alt, verheiratet, Vater von Drillingen, ist eigentlich Landpolizist. Er führt das Polizeirevier in Pirna. Er mag die Kollegen, das familiäre Klima, den Umgang mit der Lokalpolitik und die eher moderaten Einsatzzahlen. Was kümmert ihn Randale in Frankfurt? Viel. Mirko Göhler ist abgeordnet zur „Besonderen Aufbauorganisation Castrum“ der Polizeidirektion Dresden. Dieser Stab bereitet hohen Besuch vor. Die Notenbankchefs und Finanzminister der weltweit mächtigsten Industriestaaten kommen. Am 27. Mai treffen sie sich zum G7-Finanzgipfel im „Castrum“ von Dresden, dem Residenzschloss.

Eine größere Ansammlung von Feindbildern lässt sich für Kapitalismusgegner schwerlich denken. Mirko Göhler weiß, es wäre ein gewaltiger Image-Verlust für ganz Sachsen, würden sich die Szenen vom Main auch nur annähernd an der Elbe wiederholen. Seine Ansage klingt glasklar: „Ein solches Demonstrationsgeschehen werden wir definitiv nicht zulassen.“

Mirko Göhler will aber gar nicht von Frankfurt auf Dresden schließen. In seinen Augen hieße das eine Lage herbeireden, die so nicht existiere. Er fände das gefährlich. Würde das Thema hochgekocht, könne eine Spirale in Gang kommen, die Gewalttätigkeit auslöse. Bisher gebe es keine Anzeichen dafür, dass gewaltbereite Gruppierungen wegen des G7-Gipfels in Dresden einfallen wollten, sagt er. Die Szene werde streng beobachtet, vor allem im Internet.

Bisher liegen bei „Castrum“ nur zwei Anzeigen für Kundgebungen vor, beide klingen nicht nach Schwierigkeiten. Das will jedoch nichts heißen. Für gewöhnlich, sagt Mirko Göhler, kämen die Demo-Anmeldungen erst „kurz vor der Angst“. Der Sonderstab plant für verschiedene Szenarien, auch für gewalttätige. Der Polizist möchte nicht ins Detail gehen. Nur so viel sagt er: „Wir sind vorbereitet mit allen Mitteln, die das Gesetz zulässt.“

Mirko Göhlers Arbeitsort bei „Castrum“ ist der nagelneue „Führungsstab für besondere polizeiliche Lagen“. Der äußerst unmalerische Großraum voll Telefone und Computer wird „Canaletto-Saal“ genannt. Als 2009 US-Präsident Barack Obama Dresden besuchte, hieß der Vorbereitungsstab „Canaletto“, passend zum touristischen Anstrich der Präsidentenvisite. Der Stab saß in eben dieser Halle, die damals noch ein Provisorium war.

Mirko Göhler war bei „Canaletto“ auch dabei, als Verbindungsmann zum Landeskriminalamt. Zwar hat er weder Obama noch den Secret Service getroffen, dafür erlebte er aus nächster Nähe diese Euphorie, die der erste farbige US-Präsident in die Stadt brachte. „Eine tolle Stimmung.“

Dieses Mal kümmert sich Mirko Göhler um die Öffentlichkeitsarbeit, also auch um die Reporter. Viele seiner Kollegen mögen die Presse nicht, sagt er, weil sie Geheimnisse ausposaunt und Kritik übt. Er weiß, dass sein Posten ein Prellbock ist. Aber man kann dabei auch gewinnen, sagt er, nämlich dann, wenn eine Schlagzeile gut ausfällt, obwohl es nicht so gut gelaufen ist für die Polizei. Bei „Castrum“ will Mirko Göhler helfen, gute Schlagzeilen zu machen.