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Sensationsfund vom alten Dresden

Durch eine Partnerschaft sind seltene Ansichten von zerbombten Denkmalen aufgetaucht. Die Geschichte des wertvollen Architektur-Albums ist verschlungen.

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© Claudia Hübschmann

Von Peter Anderson

Meißen. Schon bei den ersten Blättern geht ein Raunen durch die Gruppe von Architekten und Handwerkern. Mit Fotos und Grundrissen dokumentieren sie das verlorene Palais von Martin Wilhelm Oppenheim an der Dresdner Bürgerwiese. Kein anderer als der Opernarchitekt Gottfried Semper hatte es Mitte des 19. Jahrhunderts für den kunstsinnigen Bankier entworfen. Das einem italienischen Palazzo ähnelnde Palais galt als beispielgebend für die damals im Stil der Neorenaissance errichteten Landhäuser in Deutschland. Im Bombenhagel vom 13. Februar 1945 brannte der Sandsteinbau vollständig aus. Um Platz für einen nie gebauten Pionierpalast zu schaffen, wurde die Ruine 1951 auf Geheiß des Rates der Stadt Dresden gesprengt.

Die Ansichten und Zeichnungen des Oppenheimschen Palais’ gehören zu einer rund 100 wertvolle Dokumente der Baugeschichte Dresdens umfassenden Mappe, welche jetzt in Meißen an die Architekturkammer Sachsen übergeben wurde. Die Geschichte des wertvollen Architektur-Albums ist verschlungen und liegt teilweise im Dunkeln.

„Die Mappe verstaubte jahrzehntelang bei uns in der Zentrale im Panzerschrank. Wie sie dahingekommen ist, weiß keiner mehr so richtig“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Märkischer Kreis aus Iserlohn Dirk H. Jedan. Einmal sei angedacht gewesen, besonders repräsentative Blätter herauszulösen, rahmen zu lassen und damit die Flure der Geschäftsstellen zu verschönern. Doch letztlich habe man diesen Plan fallenlassen.

Dirk H. Jedan steht an diesem Vormittag im Innenhof der Sächsischen Winzergenossenschaft Meißen. An seiner Seite hat er den frisch gekürten Chef der Kreishandwerkerschaft Meißen Bäckermeister Peter Liebe aus Nossen. Beide Handwerkerschaften verbindet eine intensive Partnerschaft. Sie gab letztlich den Anstoß dazu, den im Sauerland schlummernden Schatz als Leihgabe nach Sachsen zu geben.

Fast in alle Winde zerstreut

Als Empfänger der großzügigen Spende ist der Präsident der Architektenkammer Sachsen Alf Furkert nach Meißen gekommen. Die Kammer zählt fast 3 000 Mitglieder. Nur wer ihr angehört, darf sich auch Architekt nennen. Andernfalls droht eine Geldbuße von bis zu 25 000 Euro.

Furkert ordnet den Fund aus Iserlohn als kleine Sensation ein. Der Angriff vom 13. Februar löschte in Dresden ganze Stadtviertel aus. Wichtige Zeugnisse verschiedener Bauepochen zerbarsten in den Explosionen, wurden vom Feuer vernichtet. Bis zum Mai des letzten Kriegsjahres zerstörten britische und amerikanische Bomber bis zu 75 000 von insgesamt 222 000 Wohnungen in Dresden.

Doch nicht nur das. Zusammen mit den Häusern gingen zahlreiche Zeugnisse der Baugeschichte unter. Grundrisse, Fotos, Dokumentationen wurden ein Raub der Flammen. Aus diesem Grund heraus sei das jetzt in den Freistaat zurückgekehrte Architektur-Album von großer Wichtigkeit, sagt Kammer-Chef Furkert. Das Oppenheimsche Palais von Gottfried Semper ist zwar vergleichsweise gut dokumentiert, viele andere Bauten allerdings nicht.

Dr. Susann Buttolo hat sich weiße Baumwollhandschuhe übergezogen. Als Kustodin der Stiftung Sächsischer Architekten wird sie die neu gewonnenen Schätze künftig hüten und vor allem erschließen. „Vom Dresdner Architekten-Verein, der die Mappe herausgegeben hat, wissen wir vergleichsweise wenig“, sagt die Historikerin. Das treffe auch auf das Album mit rund 100 Blättern zu wichtigen Bauten von Dresdner Architekten in Sachsen zu. In den nächsten Wochen und Monaten werde es darum gehen, die Geschichte dieses Zeitzeugnisses zu erforschen. Ein Vorwort oder Nachwort fehlen, um den Fund zu beschreiben. Welchen Zeitraum halten die Dokumente fest? Nach welchen Kriterien wurden die Bauten ausgewählt? Susann Buttolo klatscht in die behandschuhten Hände. Viel Arbeit steht ihr bevor.