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Sendungsbewusstsein

Olaf Schubert beginnt das TV-Jahr mit dem Liebling der Dresdner. Roland Kaiser bekräftigt seine Meinung zu Pegida.

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© Anja Schneider

Von Anna Hoben

Der Einheizer kündigt an, dass er jetzt erst mal drei Witze erzählen wird. Er will sie nutzen, um das Applaus-Level zu steuern. Der erste Witz soll ein müdes Klatschen bekommen, der zweite ein etwas engagierteres. Nach dem dritten Witz will der Einheizer den größten Applaus hören: Toben, Brüllen, Johlen. Es seien übrigens wirklich alles Witze, stellt er klar. Also: „Mit mir wird es keine Maut geben.“ Höhö, müdes Klatschen. „Die Renten sind sicher.“ Höhöhö, etwas weniger müdes Klatschen. Jetzt aber: „Wir schaffen das.“ Was hört man? Toben, Brüllen, Johlen.

Geschickt gemacht vom Einheizer. Man weiß nun nicht genau, ob das eine innerhalb kürzester Zeit anerzogene Reaktion des Publikums ist – so ein Fernsehpublikum lässt sich ja gern erziehen – oder ob das auch die natürliche Reaktion gewesen wäre. Vielleicht ist der junge Mann im gestreiften Hemd mit dem gegelten Haar ein Indiz dafür, wie der Applaus zu verstehen ist. Als der Einheizer sagt, „vielleicht täte ein bisschen Egoismus uns Deutschen wieder ganz gut“, klatscht er wie wild, und er ist beileibe nicht der Einzige.

Das neue Jahr ist jung. Zeit, tatkräftig endlich wieder das Fernziel in Angriff zu nehmen: Weltverbesserung. Der Ort: Festspielhaus Hellerau. Hier zeichnet Olaf Schubert seine Show auf, die erst im MDR lief und seit dem vergangenen Jahr auch in der ARD zu sehen ist, wenngleich zur unchristlichen Zeit um 23.30 Uhr.

Das Studio ist voll, Männer fahren schwere Kameras umher, das Olaf-Team ist gut eingespielt. Der Einheizer hat dem Publikum beigebracht, wie man bei einem richtig guten Witz („Wir schaffen das“) richtig derbe klatscht. Mit Szenen aus „Upps! – Die Pannenshow“ von Super RTL haben die Leute dann das Lachen geübt. Warm up mit Fernsehen beim Fernsehen: passt irgendwie. Und wirkt. Die Leute sind jetzt in der Laune, sich zu amüsieren.

Mit dem Thema Arbeit will Olaf das Jahr in die Gänge bringen. Er selber, sagt er, habe ja noch nie gearbeitet, dafür hat er zwei Gäste eingeladen, die sich mit der Materie auskennen. Torsten Sträter, Poetry Slammer aus dem Ruhrgebiet, wo die Arbeit einst quasi erfunden wurde. Und Roland Kaiser, Schlagersänger, zu dem in Dresden nichts Weiteres zu sagen ist.

Wenn Olaf Gäste hat, wird das Sendungskonzept mitunter etwas linkisch, weil die Gäste Olaf an dem hindern, was er am besten kann: improvisieren, wortwitzig sein. Da sitzt dann Roland Kaiser auf der Couch, und hätte Olaf nicht seinen ewigen Rautenpollunder an, könnte man ihn für einen beliebigen Talkshow-Moderator halten. „Du zeigst ja als Schlagersänger Kante“, sagt Olaf mit Blick auf Roland Kaisers Rede im Januar 2015 bei einer Kundgebung für ein weltoffenes Dresden.

„Ich zeige als Mensch Kante“, entgegnet Kaiser. Olaf: „Das fand ich sehr gut, dass du Stellung bezogen hast. Das fand ja nicht jeder gut. Aber die Dresdner kommen trotzdem zu deinen Konzerten. Da soll noch mal einer sagen, die Dresdner seien nicht tolerant.“ Roland Kaiser bekräftigt an diesem Aufzeichnungsabend auf dem Fernsehsofa noch einmal seine Botschaft von damals: „Das ist nicht Dresden. Dresden ist mehr als Pegida.“ Ordentlicher Applaus, aber längst kein Toben, Brüllen, Johlen. Zu sehen sind an dieser Stelle auch: verschränkte Arme, versteinerte Mienen.

So viel Politik gibt es von da an dann auch nicht mehr. Stattdessen: Plaudereien, Geplänkel, Kalauer. Liegt es am Jahresbeginn, dass der Witz noch so müde rüberkommt? Da bedankt sich Olaf bei den Kindern in Bangladesch, die sich ohne zu murren an die Nähmaschine setzen, um unsere billigen Klamotten herzustellen. Da beklagt er, dass ein Zimmermann doppelt so viel verdient wie eine Zimmerfrau. Da tritt einer der Bühnenstatisten in den Streik, einem anderen ist selbst das zu anstrengend.

Der Poetry Slammer, Schriftsteller und Kabarettist Torsten Sträter freut sich, in Dresden zu sein, der „Swarovski-Version von Leipzig“, und erzählt von seiner Lehre als Herrenschneider. Sein Modetipp für Männer: Hemden der Marke Camp David meiden. Sie wissen schon, jene Textilien mit den lauten, bunten Schriftzügen und Stickereien. Camp David, das sei ein militärischer Stützpunkt bei New York, sagt Sträter. „Das ist ungefähr so, als würden New Yorker Hemden tragen, auf denen steht: Bundeswehr Castrop-Rauxel.“

Wenn Olaf am Flipchart den Kapitalismus-Erklärbär gibt, sinkt das Niveau auf die flachen Mann-Frau-Blödeleien eines Mario Barth. Was soll’s, beim Studiopublikum kommen die seltsam altbackenen Geschichten mit ihrem 50er-Jahre-Gesellschaftsbild an, und auch Roland Kaiser kann gut lachen. Er sei ein enger Freund des Kabaretts, hatte er vor der Aufzeichnung der „Dresdner Morgenpost“ erzählt, er verehre beispielsweise Loriot und seine Kunst der Menschenbeobachtung.

Das Lustigste an diesem Abend: ein Video mit Olaf als Bahnbeamter am Schalter. Das Zweitlustigste: beim Verlassen des Studios ein bisschen Menschenbeobachtung zu betreiben, mindestens zwei Männer in Camp-David-Hemden zu entdecken und ihren Gesichtsausdruck zu deuten.

„Olaf verbessert die Welt“ mit Roland Kaiser und Torsten Sträter: 14. April, 23.30 Uhr, ARD. Schon am 7. April gibt es eine weitere Ausgabe der Show mit Revolverheld und Jürgen von der Lippe zum Thema Schönheit zu sehen.