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Seltenes in der Heide

Ein neues Buch zeigt die Vogelwelt im Naturschutzgebiet – und ihre Bedeutung für Sachsen und Deutschland.

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© Gernot Engler

Von Nicole Preuß

Die Heidelerche gehört zur Königsbrücker Heide wie das Heidekraut. Der Bestand hält sich seit Jahren auf demselben Niveau. Die Rauchschwalbe wiederum gehörte einst dazu, als die Armee abgezogen war. Sie nistete mardersicher in kleineren russischen Bunkern, doch die Eingänge wuchsen mit der Zeit zu. Die Vogelarten in der Heide schwanken zwischen solchen Extremen. Der Mitarbeiter der NSG-Wacht und Hobby-Ornithologe Gernot Engler hat in den vergangenen 20 Jahren die Vogelwelt in dem Naturschutzgebiet studiert, erfasst, verglichen und nun ein bisher einzigartiges Buch über die verschiedenen Vogelarten auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz geschrieben. „Die Vogelwelt verändert sich genauso schnell wie die Landschaft. Das finde ich spannend“, sagt er.

Der Raubwürger wurde schon vor dem Zweiten Weltkrieg in der Heide beschrieben. Er liebt die freien Heideflächen.
Der Raubwürger wurde schon vor dem Zweiten Weltkrieg in der Heide beschrieben. Er liebt die freien Heideflächen. © Günther Fünfstück
Die Krickente kommt relativ häufig vor. Auch in der Heide brüten drei bis vier Brutpaare.
Die Krickente kommt relativ häufig vor. Auch in der Heide brüten drei bis vier Brutpaare. © Dirk Synatzschke
Der Bestand der Kraniche hat sich in den vergangenen 20 Jahren im NSG verdreifacht.
Der Bestand der Kraniche hat sich in den vergangenen 20 Jahren im NSG verdreifacht. © Gernot Engler
Das Vorkommen des Ziegenmelkers ist eines der wichtigsten in Sachsen. Der Vogel tarnt sich gut.
Das Vorkommen des Ziegenmelkers ist eines der wichtigsten in Sachsen. Der Vogel tarnt sich gut. © Dirk Synatzschke
Der Wiedehopf ist der Charaktervogel der Sandheiden. Im NSG nutzt er allerdings auch andere Brutplätze.
Der Wiedehopf ist der Charaktervogel der Sandheiden. Im NSG nutzt er allerdings auch andere Brutplätze. © Dirk Synatzschke
Die Population der Bekassine in der Heide ist immer noch die wichtigste in Sachsen.
Die Population der Bekassine in der Heide ist immer noch die wichtigste in Sachsen. © Gernot Engler

Die Arbeit des Vogelexperten begann 1993. Der Vater des Naturschutzgebiets Heinz Kubasch holte ihn damals in die Königsbrücker Heide. „Wir waren jedes Wochenende draußen und ich habe die vorhandenen Vogelarten erfasst“, sagt Gernot Engler. Die Fachleute, die ehrenamtlich unterwegs waren, suchten nach Nistnachweisen, schätzten bei häufigen Arten die Zahl der Einzeltiere und hörten bei einer speziellen Erfassungsart zum Beispiel auf die Rufe des Kuckucks. 15 000 eigene Einzelbeobachtungen hat Gernot Engler über die Jahre ausgewertet und 2 000 Beobachtungen von Helfern. Die Daten aus den beiden Feinrasterkartierungen flossen ebenfalls in das neue Buch ein.

Nur wenige alte Quellen

Der Fachmann konnte bei der Auswertung der Daten allerdings nur auf wenige alte Quellen zurückgreifen. Er kann damit nur in seltenen Fällen sagen, ob es diese Art schon in der Heide gab und in welcher Zahl. Die Nutzung des Gebiets als Truppenübungsplatz änderte vieles. Trotzdem konnten 1991 und 1992 noch 39 Vogelarten nachgewiesen werden, darunter besonders seltene Arten wie den Wiedehopf und die Bekassine.

Die Heidelerche kam schon damals relativ häufig in dem Gebiet vor. Die Zahl der Einzeltieren stieg aber in den Folgejahren noch und erreichte 2000 ihren Höchststand mit schätzungsweise 350 bis 450 Brutpaaren in der gesamten Heide. Die Siedlungsdichte war und ist damit in Sachsen außergewöhnlich hoch. Doch seitdem stagniert die Zahl. Der Grund ist der Wald, der sich in der Wildnis immer mehr Terrain zurückerobert. „Langfristig ist mit einem Rückgang zu rechnen“, sagt Engler.

Der 59-Jährige hat aber auch einige Arten erfasst, die stetig zulegen. Der Wiedehopf fühlt sich zum Beispiel in der Heide richtig wohl. Er besiedelt sogar, für ihn sehr untypisch, die feuchte Pulsnitzaue. Normalerweise mag er es zum Brüten eher trocken. Das Wiedehopf-Vorkommen in der Heide ist deutschlandweit beachtenswert. Der Ziegenmelker, der sich auf dem Boden perfekt tarnen kann, kommt ebenfalls in der Heide vergleichsweise oft vor. 120 bis 150 Brutpaare gibt es im Gebiet, schätzt Gernot Engler. Bemerkenswert ist auch das Vorkommen des Kranichs. Zehn Prozent des sächsischen Bestands findet man im Naturschutzgebiet. Der Kranich bekommt dabei Hilfe vom Biber. Denn der Nager hält den Wald relativ offen und staut große Wasserflächen an. Er schafft damit gute Bedingungen für die Wasservögel.

Fotos aus dem Geländewagen

Gernot Engler und weitere Hobby-Ornithologen konnten in den vergangenen 25 Jahren 137 Brutvogelarten in der Königsbrücker Heide nachweisen. Die Artenvielfalt hat sich in der Zeit sehr verändert. Einige Arten sind verschwunden, dafür sind andere dazugekommen, wie der Mittelspecht und der Singschwan. Gernot Engler hofft noch auf einen Uhu-Nachweis. Manche von ihnen bekam der begeisterte Hobbyfotograf Gernot Engler auch vor die Linse. Der Forstwirt arbeitet in der NSG-Wacht. Er ist jeden Tag draußen in der Heide und hat mit seinem Teleobjektiv so manches Exemplar aufgespürt. Die Tarnung aus dem Auto heraus ist in solchen Fällen oft effektiv. Die Vögel haben vor Geländewagen weniger Angst als vor Menschen. „Für aufwendige Fotoverstecke fehlten die Möglichkeiten.“.

Die Vögel können aber auch Besucher der Heide entdecken, die nicht so tief ins Naturschutzgebiet dürfen wie der Mitarbeiter des Naturschutzgebiets. Die Verwaltung hat Besucherpfade, sogenannte Schaufenster, ausgewiesen. Am Morgen können zum Beispiel regelmäßig Kraniche, Seeadler und Rotmilane vom Haselbergturm aus beobachtet werden. „Wenn man ein gutes Fernrohr hat, kann man Vögel relativ einfach unterscheiden“, sagt Gernot Engler. Er hat schon als zwölfjähriger Junge am Vogelhaus mit den Vogelbeobachtungen angefangen – und wird auch in Zukunft nicht davon lassen.

Gernot Engler: „Die Vogelwelt des Naturschutzgebietes Königsbrücker Heide“ erschien 2016 in einer Auflage von 500 Stück und kann im Besucherzentrum in Königsbrück, Weißbacher Straße 30, für 14,99 Euro erworben werden.