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Selbst gepflückt schmeckt am besten

Die Priestewitzer Baumschule Winkler präsentiert eine Schau alter und heimischer Obstsorten.

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© Anne Hübschmann

Von Manfred Müller

Priestewitz. Christian Kunze hat gleich einen Lageplan von seinem Bauernobstgarten mitgebracht. Und dazu einen Korb mit den Äpfeln von jedem Baum. „Ich kannte nur zwei oder drei Sorten wirklich“, sagt er. Jetzt weiß der Kmehlener genau, wo der Rote Boskop, der Idared und die Goldparmäne wachsen. Akribisch trägt er die Sorten in seine Skizze ein. Wenn Kunze im Winter die Weihnachtsäpfel aus dem Keller holt, muss er nicht mehr rätseln, in welche Frucht er nun hineinbeißt.

Christian Kunze ist einer von etwa 200 Interessierten, die am Sonnabend die Obstsortenschau in der Priestewitzer Baumschule Winkler besuchten. „Die Nachfrage nach alten und heimischen Sorten wächst“, erklärt Firmenchef Hans-Jörg Winkler. „Außerdem haben viele Leute, die auf dem Lande wohnen, die Obstgärten ihrer Eltern und Großeltern geerbt. Da kommt man auf den Geschmack.“ Deshalb hat der Priestewitzer nicht nur eine reichhaltige Sammlung an Äpfeln und Birnen zusammengetragen, sondern auch einen Pomologen, einen Obst-Experten, eingeladen. In Deutschland gibt es etwa 2000 Apfelsorten. Sie heißen „Kaiser Wilhelm“, „Rotgestreifte Gelbe Schafsnase“, „Öhringer Blutstreifling“, aber auch „Zuccamagliorenette“ und sogar „Slawa pobjediteljam“ – Ruhm den Siegern – unschwer als Züchtung sowjetischen Ursprungs auszumachen.

Viele haben eine ganz eigene, manchmal auch tragische Geschichte. Wie etwa der Korbiniansapfel, der 1944 von einem Pfarrer im KZ Dachau gezüchtet wurde. Der Löbauer Klaus Schwartz hat 500 Apfelsorten in seinem eigenen Obstgarten stehen. „Andere Pomologen müssen durch die Gegend reisen, um sich die Unterscheidungsmerkmale einzuprägen“, lächelt er. „Ich gehe vor die Tür.“ Aber der Obstkundler will auch andere an seinem Wissen teilhaben lassen. Deshalb kommt er oft zu Schauveranstaltungen, wo er alte Sorten bestimmt und Obstgartenbesitzer mit Ratschlägen versorgt. So auch am vergangenen Samstag in Priestewitz. „Setzen Sie um Himmels willen nicht die Säge an“, sagt er zu einem Besucher, der ihm ein paar winzige, verkrüppelte „Gelbe Köstliche“ präsentiert. Selbst wenn man nichts mehr ernten könne, sei die Sorte ein erstklassiger Bestäuber für die anderen Apfelbäume im Garten. Schwartz ist außerdem ein erklärter Gegner der chemischen Keule. Die industriell auf großen Plantagen gezogenen Äpfel würden mehr als 20 Mal gespritzt. Niemand könne ihm erzählen, dass da nichts zurückbleibt. „Wenn der Apfel und die Made gesund sind, bleibe auch ich gesund“, frotzelt Klaus Schwartz. Zur Bestimmung einer Apfelsorte gibt es viele Kriterien: neben Farbe und Form die Beschaffenheit der Stiel- und der Kelchgrube. Reicht das nicht aus, wird der Apfel aufgeschnitten und das Kerngehäuse begutachtet. Die Form seines Kranzes bringt weiteren Aufschluss, ebenso die Beschaffenheit der Kerne. Bringt das den Obstkundler auch nicht weiter, bleibt als letzte Möglichkeit, herzhaft hineinzubeißen und die Sorte über den Geschmack zu bestimmen. Klaus Schwartz ist Mitglied im Verein sächsischer Pomologen. Dieser hat sich zum Ziel gesetzt, vom Aussterben bedrohte regionale Obstsorten zu erhalten. Wie etwa den Safranapfel, der fast nur noch im Vogtland zu finden ist. Oder die Gelbe Sächsische Renette, die sich noch vereinzelt im Dresdner Raum findet. Unterstützt werden sie von Gartenbaubetrieben; zu denen die Priestewitzer Baumschule Winkler gehört. „Selbstgepflückte Äpfel schmecken nun mal am besten“, sagt Hans-Jörg Winkler, der für Kunden bejahrte Obstbäume veredelt. Um ihr Anliegen zu propagieren, rufen die Pomologen eine „Sorte des Jahres“ aus, dem alle Aufmerksamkeit gilt.