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Seit 85 Jahren für die Radl da

Zweirad Neubert ist in Dohna eine Institution. Nähmaschinen gibt es keine mehr, dafür Sturmvögel und bunte Kellys.

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© Foto: privat

Von Heike Sabel

Dohna. Die Fahrräder hießen Wanderer und Miele, die Motorräder Zündapp und DKW und die Straße vorm Geschäft hieß Königsstraße. Das war im Juli 1932, als Willy Neubert sein Geschäft in Dohna öffnete, in dem es auch Nähmaschinen gab. Elektrisch geht es heute noch, oder besser, wieder zu. Denn inzwischen ist jede zweite Nachfrage eine nach E-Bikes. „Das ist der Wahnsinn“, sagt Chef Holger Neubert. Sein Sohn Christian absolviert extra eine zweite Ausbildung zum Fahrrad-Mechatroniker.

Am Anfang führte die Straße noch direkt ums Haus, und es gab auch eine Tankstelle am Geschäft. In 85Jahren hat sich nicht nur das geändert.
Am Anfang führte die Straße noch direkt ums Haus, und es gab auch eine Tankstelle am Geschäft. In 85Jahren hat sich nicht nur das geändert. © Foto: privat

Der Laden ist für viele Radler Anlaufpunkt. Grad steht ein junger Mann in der Tür. Er braucht Hilfe bei seinem Gepäckträger, der irgendwie klappert. Vor einiger Zeit stand früh ein Österreicher am Zaun, als Holger Neubert auf Arbeit kam. Der Mann war am Tag zuvor von einem Dohnaer angefahren worden. Der kümmerte sich zwar um den Mann, nicht aber um dessen Fahrrad. Das war nun Neuberts Aufgabe. „Es pressiert etwas“, sagte der Österreicher, was heißt, Neubert solle sich mit dem neuen Hinterrad ein bisschen beeilen. Der Dohnaer, der jetzt sein Fahrrad bringt, damit es neue Reifen bekommt, hat Zeit. „Ich rufe dich an“, sagt Neubert. Man kennt sich und wenn nicht, Radler duzen sich meist.

Er übernahm das Geschäft am 1. Januar 2002 von seinem Vater. Das erste Jahr war das schwerste. Erst der Euro, dann das Hochwasser. Drei Wochen nach der Flut machte Neubert das Geschäft wieder auf. Seitdem boomt das Radfahren und damit das Geschäft. Die Werkstatt nennt Neubert seine Rumpeldiele. Sie und der Laden spiegeln die Geschichte von vor 85 Jahren bis heute wieder. Auf alten Schildern steht „Luft und Wasser“ und „Tankstelle“. Luft klar, Wasser naja, aber Tankstelle? Ja. 1933/34 gab es eine Shell-Tankstelle. In dieser Zeit verkauften die Neuberts zudem Nähmaschinen und betrieben die Wäschemangel. Neben Mechanikern waren auch Dienstmädchen angestellt.

Die zweite Elektrifizierung

Aus der Anfangszeit stammt auch das Bild vom Miele-Fahrradhersteller. Es hängt an der Wand neben der Tür. Schräg gegenüber eine Preisliste aus den ersten Jahren. Ein Transport-Fahrrad aus Neckarsulm kostete 131,40 Reichsmark. Das war so das Teuerste, was es gab. Neubert hat noch ein Heft gefunden, wo sein Großvater die bezahlten Raten eintrug. Die erste Elektrifizierung des Fahrrades gab es nach dem Krieg 1945. Da wurde Hilfsmotoren an die aufgearbeiteten Räder montiert. Das Ergebnis hieß Hühnerschreck. Heute heißen die E-Bikes Twenty und Sturmvogel. Im Nebenraum stehen die heutigen Schätze. Das teuerste E-Bike kostet 2 199 Euro. Für die Jüngsten, wie Enkel Hugo, hat Holger Neubert „Mein 1. Kellys“, ein Laufrad in Neonfarben.

Zwischen den Rädern von damals und den heutigen E-Bikes versuchten es Neuberts mit Mopeds und Rollern. „Aber das Neumodische läuft nicht, jedenfalls nicht bei diesen Fahrzeugen.“ Damit war das erledigt – bis auf ein paar Simson-Motorräder, die Neuberts immer noch reparieren. Nun konzentrieren sie sich auf die elektrischen Fahrräder. „Und die werden nicht nur von älteren Leuten gekauft, wie man am Anfang dachte.“ Man muss mit der Zeit gehen, sonst geht man mit der Zeit, besagt eine alte Unternehmer-Weisheit. Für Neuberts bedeutet das unter anderem einen Hol- und Bringedienst für kaputte Räder, 2018 will man E-Bike-Stützpunkt werden. „Wir sind auf dem Boden geblieben“, sagt Holger Neubert. Bis auf ein paar Fahrräder, die an der Decke hängen.

Geburtstagsfeier, 19. August, 12 bis 16 Uhr