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Seit 700 Jahren nicht mehr gehört

Im Kloster „Heilig Kreuz“ wurde ein mittelalterliches Meisterwerk erneut zum Leben erweckt.

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© Claudia Hübschmann

Von Peter Braukmann

Meißen. Das Kloster „Heilig Kreuz“ vor den Toren von Meißen gelegen, ist ein Ort, dessen Schönheit und Ruhe beste Voraussetzungen für Konzerte und Theateraufführungen bietet. So war es auch am vergangenen Sonnabend, als die Elbland Philharmonie Sachsen in Zusammenwirken mit dem Vocalis Ensemble Dresden als Uraufführung eine Rekomposition des „Kreuzleich“ von Heinrich von Meißen, genannt Frauenlob, aufführten.

Da wird es dem nicht fachkundigen Leser ergehen, wie es mir ergangen ist. Es taten sich Fragen auf. Was ist denn bitteschön ein „Leich“, was ist eine „Rekomposition“ und wer ist denn eigentlich dieser „Frauenlob“? Fangen wir bei der Beantwortung der letzten Frage an. Heinrich von Meißen erblickte irgendwann zwischen 1250 und 1260 in Meißen das Licht der Welt. Er bekam eine gute Ausbildung an der Domschule, danach entschloss er sich, als Minnesänger durch die Welt zu ziehen. Wenngleich er auch nicht die Popularität eines Walther von der Vogelweide erlangte, so gehörte er mit Sicherheit zu den „Popstars“ seiner Zeit.

Er verfasste Minnelieder und Streitgedichte sowie den Minneleich, den Kreuzleich und den Marienleich. Ein Leich ist die sprachlich alles umfassende Form der Minnesangs, geprägt durch Metaphorik, sprachlich komplex und wohl daher auch zu Frauenlobs Lebenszeiten ein hochgelobtes, aber auch nicht massenkompatibles Programm. Frauenlob notierte seine Werke in der heute weitgehend vergessenen Notenschrift der Hufnagel-Neumen. Deren Fragmente dienten dem Komponisten Karsten Gundermann aus Hamburg als Grundlage, um, begleitet von intensiver Forschungsarbeit, am Ende die Rekomposition des Kreuzleichs zu schaffen.

Gundermann komponierte die Neufassung des Leichs für Orchester und Chor. Unter der Leitung von Ekkehard Klemm (Philharmonie) und Martina Stoya (Chor) erlebte das Publikum ein außergewöhnlich intensives Musikereignis. Das Orchester interpretierte die Komposition mit Hingabe und Einfühlungsvermögen. So entstand ein Klangbild, das einen Bogen von mittelalterlicher Musik über Esoterik bis hin zur Weltmusik spannte.

Diese Aufführung hätte sicher mehr als die knapp 100 Personen erreichen können, die sich auf den dreihundert gestellten Stühlen verteilten. Zum Beispiel meine Tochter, die gerade Mittelhochdeutsch in der Schule behandelt. Zum Schluss noch einmal meine Verbeugung vor Komposition und Umsetzung. Ein starkes Stück Musik, welches es verdient, auch zum Wohle der Stadt Meißen, in die Welt hinausgetragen zu werden.