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Seit 50 Jahren Zahnarzt

Vater und Tochter Wlach sind ein gutes Team in ihrer Praxis in Spitzkunnersdorf. Die ist was Besonderes – dank der LPG.

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© Matthias Weber

Von Holger Gutte

Günther Wlach ist der wahrscheinlich älteste noch praktizierende Zahnarzt in der Region. Am Montag hatte der 74-jährige sein 50. Dienstjubiläum. Nicht nur seine Tochter Antje würde sich freuen, wenn er noch ein paar Jahre dranhängt. Die 43-jährige Zahnärztin ist froh, dass ihr Vater ihr noch zweimal in der Woche in der Praxis hilft. Immer an den Montag- und Dienstagnachmittagen kümmert sich Günther Wlach in der Spitzkunnersdorfer Arztpraxis um die Zähne der Patienten. „Er hat sogar ein paar Stammpatienten, die immer nur zu ihm wollen“, verrät Antje Wlach. Und die sind meist noch wesentlich älter als er. „Bei fast 90-Jährigen ist es manchmal nicht so einfach. Da muss man besonders einfühlsam sein“, sagt er. Wenn dann schon seit Jahrzehnten eine Vertrauensbasis aufgebaut wurde, ist es für diese Patienten leichter.

Günther Wlach stellt sich lieber nicht vor, was geworden wäre, wenn seine Tochter nicht in seine beruflichen Fußstapfen getreten wäre. „Die jungen Ärzte wollen heute doch kaum noch aufs Land“, sagt er. So ist es ihm, als er beruflich etwas kürzertreten wollte, leicht gefallen, die Praxis an seine Tochter abzugeben. Am 4. Oktober 2010 ist das gewesen. Und Antje Wlach ist froh, dass er noch mitmacht. So hat sie mehr Zeit für die Kinder.

Die Zahnarztpraxis Wlach ist etwas Besonderes. Ihr Standort ist ungewöhnlich. Aber genau das gefällt den Patienten auch. „Unsere Praxis hat was Familiäres. Manche sagen, sie fühlen sich, als wenn sie jemanden besuchen und in eine Wohnung kommen“, erzählt der Arzt. Irgendwie stimmt das ja auch. Die Zahnarztpraxis befindet sich im Erdgeschoss einer Neubauwohnung. Aus dem Wohnzimmer sind ein Wartezimmer und die Rezeption geworden, aus der Schlafstube das große Behandlungszimmer. Eines der beiden ehemaligen Kinderzimmer haben Wlachs zum Behandlungsraum umgebaut und die Küche zum Labor.

Als Günther Wlach 1992 hier in der Hauptstraße 33 in Spitzkunnersdorf seine Praxis einrichtete, ist das quasi die einzige Möglichkeit für ihn gewesen, wenn er in der Gemeinde bleiben wollte. Und das wollte er und hat es bis heute nicht bereut. In seiner 50-jährigen medizinischen Arbeit ist er viel herumgekommen. „Ich wollte 1962 nach dem Abitur unbedingt Zahnarzt werden“, erzählt er. Ärzte wurden damals überall gebraucht. Aber es gab wenig Studienplätze. Günther Wlach bewarb sich an der Hochschule in Halle. Als er von dort Antwort bekam, zögerte er nicht. Er konnte zwar nicht dort studieren, aber in der damaligen Sowjetunion. „Hätten wir damals bei der Abreise gewusst, wo es hingeht, wären bestimmt einige meiner Studienkollegen abgesprungen“, sagt er. Günther Wlach hat in Wolgograd – dem einstigen Stalingrad – studiert. „Meine Generation hat den Krieg nicht miterlebt. Trotzdem ist es erst 17 Jahre her gewesen“, sagt er. Und dann als Deutscher wieder dort zu sein, ist nicht immer einfach gewesen, erzählt er.

Gleich nach dem Studium konnte der Seifhennersdorfer 1967 in Neugersdorf in einer Ausbildungspraxis für Absolventen der Fachausbildung anfangen. Später wechselte er innerhalb der Stadt in eine andere Praxis, bevor er 1972 in einem großen neu eröffneten medizinischen Zentrum mit 50 Mitarbeitern in Löbau anfing. Obwohl er dort Oberarzt wurde, suchte er für sich eine kleine Praxis. „Und die sollte in der Nähe von meinen Eltern in Seifhennersdorf sein“, schildert er. Doch die Möglichkeiten hierfür gab es nur in Waltersdorf und in Spitzkunnersdorf. In beiden Orten war aber keine Wohnung zu finden. Spitzkunnersdorf wollte damals aber unbedingt einen Arzt und einen Zahnarzt haben, schildert Günther Wlach. Weil es keine Wohnung für sie gab, baute kurzerhand die LPG eine. Die landwirtschaftlichen Genossenschaften besaßen zu DDR-Zeiten eigene Baubrigaden. Und weil sich der LPG-Vorsitzende dafür stark machte, wurde in Spitzkunnersdorf ein Doppelhaus für einen Arzt und einen Zahnarzt gebaut. „Im Herbst 1978 sind wir eingezogen“, berichtet Günther Wlach.

Was bis zur Wende noch funktionierte, ging plötzlich von einem Tag auf den anderen nicht mehr. In der ehemaligen Schwesternstation in der Dorfstraße 55 konnte er unmöglich als Zahnarzt weiter arbeiten. „Es war viel zu beengt. Wir hatten dort noch Ofenheizung“, berichtet er. Aus einer staatlichen Praxis musste eine private werden. Für alles gab es andere Formulare und Vorschriften. „Am 1. Januar 1991 kam ein Patient zu mir, mit einem kaputten Zahnersatz. Ich habe ihm geholfen, wusste aber nicht, wie ich es abrechnen soll“, erzählt er. Also hat er nichts dafür verlangt. Erneut fand er in Spitzkunnersdorf kein geeignetes Gebäude. „Und wieder hat uns die LPG geholfen“, erzählt Günther Wlach. Denn die Wohnung in dem Neubaublock in der Hauptstraße, in der sich heute die Praxis befindet, war gerade frei geworden. Es war nicht einfach, Wohnraum als Gewerberaum einzurichten, aber schließlich durfte er es. Wie schon in DDR-Zeiten, wollte der Zahnarzt kein Haus für sich als Praxis bauen. Die Wohnung lag im Erdgeschoss und hatte schon eine Zentralheizung. 2018 feiert die Zahnarztpraxis ihr 40-jähriges Bestehen in der Neubauwohnung. Zu den fünf Mitarbeitern wird dann sicherlich auch noch Günther Wlachs Ehefrau Monika gehören. Die 66-Jährige Zahntechnikerin ist überall in der Praxis zu finden – in der Sprechstunde, in der Anmeldung und vor allem im Labor.