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„Sehr sympathisch, gut aussehend“

Christoph Franke ist als Trainer mit Dynamo zweimal aufgestiegen, aber nie abgehoben – sagt sein Freund Hans Meyer.

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Von Sven Geisler

Er hält den Rekord. Kein Trainer blieb seit 1990 länger bei Dynamo Dresden als Christoph Franke: vier Jahre und 198 Tage. Als er im Juni 2001 anfing, waren die Schwarz-Gelben gerade die Lachnummer der viertklassigen Oberliga, der Verein stand vor der Insolvenz. Aber Franke ließ sich von widrigen Umständen nicht aus der Ruhe bringen und führte die SGD mit zwei Aufstiegen zurück in den Profi-Fußball.

Trotz einer Niederlagenserie wurde Franke im Dezember 2005 von den Fans deshalb nicht vom Hof gejagt, sondern herzlich verabschiedet. Außer für den sportlichen Aufschwung hatte er sich mit seiner freundlichen Art eine große Anerkennung verdient. Am Sonnabend wird er 70, feiert mit großer Kaffeetafel in Burkhardtsdorf bei Chemnitz. Im Interview mit der SZ gratuliert einer seiner besten Freunde: Hans Meyer, von 1988 bis 1993 sein Chef und selbst Trainer-Legende.

Herr Meyer, wie haben Sie Christoph Franke eigentlich kennengelernt?

Wir haben gemeinsam einen Höhepunkt unserer Laufbahn erlebt, als wir 1966 in Budapest zwei offizielle Länderspiele bestritten – mit Emblem und Hymne, allem Drum und Dran. Der Jenaer Universitätslehrer Hugo Weschenfelder hatte uns in die DDR-Studentenauswahl berufen. Dort habe ich Christoph, der damals in Leipzig spielte, zum ersten Mal getroffen.

Was war er für ein Typ?

Ich weiß nicht, ob ich das so sagen darf, aber er ist ein ausgesprochener Frauentyp: Sehr sympathisch, gut aussehend – damals, jetzt ist er natürlich auch alt und schrumplig. Sehr verständnisvoll, auf den anderen eingehend, also einer, den man gern haben muss – egal ob Männlein oder Weiblein.

Er war Ihr Co-Trainer beim FC Karl-Marx-Stadt, später Chemnitzer FC. War das Arbeitsverhältnis unter Freunden problematisch?

Das ist nur für die ein Problem, für die Arbeit Zoff, Mobbing und Intrigen bedeutet. Dafür sind weder Christoph noch ich der Typ. Wir haben in Chemnitz erst schwer zusammengefunden, weil es in seiner Verwandtschaft das Thema Ausreise gab. Deshalb war es zunächst nicht gewollt, dass er mein Assistent wird. Später habe ich mitbekommen, dass es nur für die untere Führungsebene ein Problem war, weiter oben nicht. Es war meine beste Entscheidung, ihn an meine Seite zu holen.

Warum?

Weil er die jungen Spieler aus dem Effeff kannte: Bittermann, Mehlhorn, Veit, Wienhold – sie sind alle durch seine Hände gegangen, und nicht nur durch seine. Seine Frau Maria hat ihn im Nachwuchsbereich als Betreuerin in fantastischer Art und Weise begleitet. Wir sind dann mit dem FCK, der vorher nie über Platz acht hinausgekommen war, in den letzten DDR-Jahren Dritter und Zweiter geworden, ins Pokalfinale eingezogen. Das waren wirklich schöne Erfolge mit einer sehr, sehr jungen Mannschaft. Ich denke, dass Christoph und ich – in gleicher Wertigkeit – dort richtig etwas auf die Beine gestellt haben.

Es gibt viele Klischees im Fußball. Was halten Sie vom Co-Trainer als Hütchenaufsteller?

Ich hatte immer Assistenztrainer – auch Jürgen Raab zuletzt –, die nicht das Gefühl haben mussten, der Fußabtreter zu sein. Ich brauchte jemanden, mit dem ich mich ernsthaft über Fußball unterhalten und streiten konnte. Und Christoph war als Mensch wie Fachmann besonders wertvoll.

Kann man sich mit dem ruhigen, ausgeglichenen Christoph denn streiten?

Das kann man sehr gut! Wenn er anderer Meinung war, konnte er standhaft dagegenhalten. Dass ich mich auch mal gegen ihn durchsetzen musste, ist logisch. Aber das passierte äußerst selten. Fußballfachlich hatten wir ähnliche Auffassungen. Wenn wir unterschiedlicher Meinung waren, dann in erzieherischen Fragen.

Welche denn?

Ich denke, Christoph war verbindlicher, aber auch toleranter als ich. Er hat seine Jungs eher mal in Schutz genommen, während ich geneigt war, dem einen oder anderen mal in den A… zu treten.

Deshalb galt er vielen auch in seiner Zeit bei Dynamo als zu weich fürs harte Geschäft des Profi-Fußballs …

Totaler Quatsch! Als ich in Chemnitz rausgeflogen bin, habe ich die Vereinsführung gefragt: Warum seid ihr so engstirnig und nehmt nicht Christoph Franke, einen ausgesuchten Fachmann? Da hörte ich dieses Argument, er sei zu weich, und dann haben sie aber einen Knüppelharten genommen – mit Reinhard Häfner. Christoph war in der Sache extrem konsequent und hat nichts gemacht, wovon er nicht überzeugt gewesen wäre. Mir sind diejenigen, die auch nach außen nett und verbindlich auftreten, lieber als die, die den wilden Mann markieren und intern faule Kompromisse eingehen. Das gab’s bei Christoph nie.

War er als Trainer anders als privat?

Nein. Das ist ja das Schöne, dass er so unverstellt ist. Er hat kein Theater gespielt auf der Bank, nicht aus Eitelkeit die Kameras gesucht oder die Presse um Mitternacht angerufen: Darf ich wieder mal was sagen? Er ist, wie er ist: Bescheiden, schiebt sich nie in den Vordergrund – eine sehr angenehme Person, selten genug in diesem Metier.

Hat er Sie um Rat gefragt, nachdem sich Ihre beruflichen Wege getrennt hatten?

Wir haben oft miteinander gesprochen, aber Rat holen? Vielleicht hat man mal eine Bestätigung gebraucht, aber die Frage, was mache ich jetzt, gab es nicht. Wenn es um Fußball geht, verstehen wir uns auf den Punkt, weil der andere nicht mit Begriffen um sich wirft, die in der Presse gut ankommen. Was ist der Unterschied zwischen Gegenpressing und Forechecking? Oder wer in aller Welt spielt mit der Doppelsechs? Der Fußball ist noch so einfach wie vor 40 Jahren, ein bisschen modifiziert, aber wirklich verändert hat sich nur die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.

Sie sind über Twente Enschede in Holland nach der Wende doch noch als Trainer in der Bundesliga angekommen. Christoph Franke blieb in der Region. Was hat er verpasst?

Er konnte ja nicht weg. Als Hobby-Landwirt hat er Tiere, Garten und Felder. Er ist dort geblieben, wo er sich wohlfühlt, wo er Heimat sagen kann, und das können nicht alle. Das ist aller Ehren wert. Mit seiner fachlichen Kompetenz – allerdings ist er ähnlich blind wie ich, was Sprachen angeht – hätte er sicher auch in der Bundesliga arbeiten können. Für Außenstehende mag das so erscheinen, als habe er sich unter Wert verkauft. Aber ich möchte wetten: Wenn ich mit Christoph am Tisch sitze und ihn frage, ist er mit dem, was er erreicht hat, sehr zufrieden. Genau wie ich. Es ist schön, wenn jemand 70 wird und das sagen kann.

Werden Sie am Sonnabend zur Feier in Burkhardtsdorf sein?

Ich bin leider verhindert, aber das Gläschen Sekt holen wir nach – in einer kleinen Runde. Dann können wir uns mal wieder länger unterhalten, was bei einer großen Feier sowieso kaum möglich wäre. Ich wünsche ihm das, was er sich aufgrund seiner Art, seines Charakters und seiner Arbeitsleistung hochverdient hat: Noch viele schöne, zufriedene, glückliche Jahre mit seiner Maria und mit seinen Tieren.