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Sehnsüchtiges Warten auf freie Wege

Weil die Tochter auf den Rollstuhl angewiesen ist, kann eine Olbersdorferin mit ihr zurzeit kaum raus – weil der Räumdienst nur selten fährt.

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© R. Sampedro

Von Mario Sefrin

Am Mittwoch hat die Sächsische Zeitung zwei junge Mütter mit Kinderwagen auf ihrem Weg durchs winterliche Zittau begleitet und über die Strapazen der Tour geschrieben. Romy Kreienberg aus Olbersdorf hat den Artikel genau gelesen. Und dabei daran gedacht, dass sie auch gern mit ihrer Tochter vor die Tür gehen würde. Doch das ist für sie bei dem derzeitigen Winterwetter nicht so leicht möglich. Denn während sich die beiden Mütter in Zittau mit modernen Kinderwagen ihren Weg durch den Schnee bahnen, braucht es im Fall von Romy Kreienbergs Tochter Johanna-Marie einen Spezialrollstuhl. Und der ist schwer. Zu schwer jedenfalls für die Schneemassen in den vergangenen Tagen.

Romy Kreienbergs vierjährige Johanna-Marie ist schwerbehindert, sie leidet an der seltenen Erkankung Arthrogryposis multiplex congenita (AMC). „Darunter wird eine angeborene Gelenksteife verstanden“, sagt Romy Kreienberg. Sie kann ihre Tochter darum nicht einfach in einen Kinderwagen setzen, sondern ist auf den Rollstuhl angewiesen. Doch daran sei gegenwärtig nicht zu denken, sagt die Olbersdorferin, die mit ihrer Familie im Neubaugebiet Grundbachsiedlung wohnt. „Ich müsste mit dem Rollstuhl durch Schnee, Matsch und Glätte. Das geht aber nicht.“ Sie käme nicht voran, weder auf den Fußwegen, noch auf der Straße, weil überall Schnee liegt. „Ich kann seit einigen Tagen nicht mit der Kleinen raus, weil ich den Rollstuhl nicht schieben kann“, sagt Romy Kreienberg. „Das ist sehr traurig und ärgerlich.“ Erst recht, nachdem ihre Tochter am vergangenen Wochenende beim Schlittenfahren war. „Da sie nicht alleine sitzen kann, hatten sie Bekannte mitgenommen. Das hat ihr sehr gefallen. Sie hat mich darum auch schon gefragt, warum wir nicht mehr rausgehen“, erzählt die Olbersdorferin.

Wer ist für die Räumung zuständig?

Darum hat sich Romy Kreienberg zu Wochenbeginn gewundert, dass nicht einmal die Straßen in der Grundbachsiedlung vom Schnee geräumt werden. „Dann könnte ich mit dem Rollstuhl wenigstens dort fahren“, sagt sie. Doch sie habe nur einmal ein Räumfahrzeug gesehen. „Hier weiß man nicht einmal, wer für die Räumung zuständig ist. Ich habe auch bei der Gemeinde angerufen, bin dort aber nicht richtig ernst genommen worden“, sagt sie. „Ich solle auf einen Kinderwagen umsteigen, hieß es.“ Man habe ihr auch etwas von verkehrsberuhigtem Bereich erzählt, erinnert sie sich.

Genau das erklärt aber, warum Romy Kreienberg zu Wochenbeginn im Olbersdorfer Neubaugebiet kaum Räumfahrzeuge sah. „Die gesamte Grundbachsiedlung ist ein verkehrsberuhigter Bereich, in dem es keine Fußwege gibt“, sagt der Olbersdorfer Hauptamtsleiter Ralph Bürger. „Laut Räum- und Streupflichtsatzung der Gemeinde sind hier die Vermieter für die Beräumung verantwortlich, und zwar auf einem Streifen von 1,5 Metern entlang der Grundstücksgrenze.“ Theoretisch müsste die Gemeinde nicht schieben in der Grundbachsiedlung, so Bürger. „Wir tun das aber trotzdem, wenn wir es schaffen.“ So gebe es unter anderem mit dem örtlichen Wohnungsunternehmen KWV Abstimmungen zum Schneeschieben. „Wie helfen uns da gegenseitig, oder beauftragen dafür Fremdfirmen“, sagt Ralph Bürger.

Dass man gegen einen plötzlichen starken Wintereinbruch – wie in dieser Woche erlebt – oft machtlos ist, versteht auch Romy Kreienberg. „Ich habe nichts gegen den Winter“, sagt sie. Doch sie wünscht sich, dass an solchen Tagen auch in der Grundbachsiedlung öfter Schnee geschoben wird. Ein kleines bisschen ist ihr dieser Wunsch schon am Donnerstag erfüllt worden: „Da ist am Vormittag geschoben worden“, sagt Romy Kreienberg.