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Schwimmlehrer in der Warteschleife

Wochenlang fällt in Dresdner Grundschulen der Unterricht aus. Dabei hätte Europameister Halgasch sofort anfangen können.

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© Sven Ellger

Von Sandro Rahrisch

Ein Vize-Weltmeister als Lehrer: Der Schwimmer Sebastian Halgasch wird Dresdner Grundschülern ab der kommenden Woche zeigen, wie sie sich über Wasser halten können. Dank des 35-Jährigen müssen Hunderte Kinder das jetzt nicht mehr auf dem Trockenen üben.

Seit Schuljahresbeginn fällt der Schwimmunterricht an der Freiberger Straße für viele Klassen ganz aus, oder er findet nur alle zwei Wochen statt. Teils wurden die Schüler mit Trockenübungen am Beckenrand beschäftigt (die SZ berichtete). Andere mussten vor der Halle wieder kehrt machen. Eltern reagierten verärgert, Schüler enttäuscht.

Zwei kranke Lehrer haben Lücken in den Stundenplan gerissen, begründet das Kultusministerium den Ausfall. Eine Argumentation, die auf den ersten Blick stimmt, sagt Halgasch. „In Anbetracht dessen, dass ein Lehrer seit längerer Zeit krank ist, ich seit Juni für diese Stelle eingeplant bin und erst an diesem Freitag zur Vertragsunterzeichnung eingeladen wurde, kann ich allerdings nicht verstehen, warum der Unterricht drei Wochen lang ausfallen musste.“ Der Spitzensportler vermutet, dass das Kultusministerium das Geld für seine Stelle nicht eher freigegeben hat. Wegen des schwerfälligen Amtsweges oder möglicherweise, um ein Monatsgehalt zu sparen, weiß er nicht.

Allerdings ist es nicht der erste trockene Start ins Schuljahr, den Sebastian Halgasch mitmacht. Schon im vergangenen Jahr musste er zwei Wochen auf seinen Vertrag warten, sagt er. Seit Dezember 2014 unterrichtet er Grundschüler, zunächst in Klotzsche, später im Georg-Arnhold-Bad, an der Freiberger Straße und in der Bühlauer Schwimmhalle. Immer, um den Unterricht abzusichern für kranke Lehrer oder Lehrer, die kurzfristig ein halbes Jahr zur Weiterbildung mussten. Pünktlich zu den Sommerferien laufen die Verträge aus. Dann ist der Schwimmstar zwei Monate arbeitslos, bevor er wieder eingestellt wird. Es ist bereits sein vierter Vertrag, den er diesen Sommer unterschrieben hat.

Eine Festanstellung als Lehrer ist ihm bislang nicht angeboten worden. „Beworben habe ich mich dafür schon, aber ohne Erfolg“, sagt er. „Offiziell erfülle ich nicht die Voraussetzungen, weil mir die pädagogische Ausbildung fehlt, inoffiziell wird die Stelle schon vor den Ferien mit mir verplant.“ Dabei ist Schwimmen sein Leben: Halgasch ist Rückenschwimmer und hat bei den Kurzbahnweltmeisterschaften vor 16 Jahren in Athen die Silbermedaille geholt. Im gleichen Jahr wurde er in Valencia Europameister. Als Vereinstrainer bringt er Kindern und Jugendlichen deutlich mehr bei, als sich nur auf 25 Metern über Wasser zu halten, wie es die Seepferdchen-Prüfung verlangt. Der Schwimmer hofft noch immer, irgendwann den Seiteneinstieg als Lehrer zu schaffen. „Ich bin jetzt Vater und habe überhaupt keine Planungssicherheit für meine Familie“, sagt er. In den Ferien fehle ihm das Geld.

Das Kultusministerium betont auf SZ-Nachfrage, dass die Personen, die zur Absicherung des Schwimmunterrichts eingesetzt werden, nur kranke Sportlehrer ersetzen. Da nicht absehbar ist, wann Lehrer wieder gesund oder überhaupt erst krank werden, würden nur befristete Verträge abgeschlossen, sagt Sprecherin Susann Meerheim. Allein an der Freiberger Straße lernen dieses Jahr Kinder aus 26 Schulen das Schwimmen. Wegen der abermals gestiegenen Schülerzahlen mussten die Zeiten fürs Schulschwimmen noch einmal ausgedehnt werden. Auch die Hallen in Bühlau, Klotzsche und Prohlis sind offizielle Schulschwimmzentren. Der Großteil des Unterrichts dort werde von Sportlehrern abgedeckt, die aus den Grund- und Förderschulen abgeordnet werden, so Meerheim. Einige für das ganze Jahr, die meisten aber pendeln zwischen Klassenzimmer und Schwimmhalle.

In diesem Schuljahr bringen insgesamt 21 Lehrkräfte Kindern das Schwimmen bei. Darüber hinaus gebe es derzeit zwei Vertretungen, die über das Programm „Unterrichtsversorgung“ eingesetzt werden – darunter Sebastian Halgasch. Der Sportler vermutet, dass der nächste Unterrichtsausfall nicht mehr allzu lange auf sich wartenlässt. Denn sein neuer Vertrag läuft schon Ende Dezember wieder aus. „Meine Stelle ist an das Haushaltsjahr des Freistaats gekoppelt“, sagt er und befürchtet, dass es im Januar wieder drei Wochen dauern wird, bis er seinen fünften Vertrag unterschreiben kann.