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Schwieriger Umgang mit Keimträgern

Pflegeeinrichtungen nehmen Betroffene mit multiresistenten MSRA-Bakterien ungern auf. Ein Problem: die Kosten.

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© dpa

Von Uta Büttner

Meißen/Radebeul. Multiresistente Keime sorgen immer wieder für Ängste, Unsicherheiten und Probleme. Auch in der stationären und ambulanten Pflege. So haben die Fachkliniken für Geriatrie – spezialisiert auf die Behandlung älterer Menschen ab 65 Jahre – in Radeburg immer wieder Schwierigkeiten, Patienten mit einer MRSA-Besiedlung oder -Infektion aus dem Krankenhaus oder der Rehaklinik in eine Pflegeeinrichtung zu vermitteln. „Einige Einrichtungen lehnen MRSA-Patienten ab, weil sie damit einen Mehraufwand sehen, den Kassen nicht erstatten“, sagt Nicole Schubert, Koordinatorin des Geriatrischen Netzwerkes (GerN) Radeburg.

Sandy Meusel, Sozialarbeiterin an den Fachkliniken für Geriatrie und verantwortlich für die Vermittlung an Pflegeeinrichtungen: „Manchmal sind es mehrere Patienten im Monat, bei denen wir länger suchen müssen, um eine aufnahmebereite Pflegeeinrichtung zu finden.“ Und Nicole Schubert ergänzt: „Für Patienten entstehen so Wartezeiten und Unsicherheiten über die weitere Versorgung. Da Pflegeeinrichtungen immer gut ausgelastet sind, können sie sich ihre zukünftigen Bewohner aussuchen. Patienten mit MRSA-Besiedlung erleben häufig Ausgrenzung.“

Und das war der Anlass für das Geriatrische Netzwerk, Ende Januar in einer Veranstaltung für medizinisches Personal Informationen zum Umgang mit MRSA-Patienten zu geben. „Wir wollten aufklären und zeigen, welche Maßnahmen tatsächlich nötig sind und welche nicht. Damit sollen die Überleitung und die Versorgung dieser Patienten verbessert werden und die Zusammenarbeit und das Verständnis der Einrichtungen untereinander.“

So sagte der Leiter des Zentralbereichs Krankenhaushygiene vom Universitätsklinikum Dresden, Professor Lutz Jatzwauk, in seinem Vortrag: „Für gesunde Menschen sind multiresistente Erreger nicht gefährlich. Sie siedeln sich dank der normalen Körperbesiedlung des Menschen mit Mikroorganismen nur sehr selten im Körper an. Und machen auch dann den Träger nicht krank.“ Seine wichtigste Botschaft an alle war laut Andrea Kuphal, Pflegedirektorin der Radeburger Fachkliniken, dass gründliches Händewaschen mit Seife in der Häuslichkeit ausreicht. Denn in Krankenhäusern, wo sich gefährdete Patienten mit Wunden befinden, seien wesentlich mehr Hygienemaßnahmen erforderlich als in Pflegeheimen oder zu Hause.

Warum also lehnen auch Fahrdienste mitunter den Transport MRSA-Besiedelter ab? Das liegt an den bestehenden Vorschriften, die nach Meinung von Fahrdienstleiter Maik Petzold vom „DRK Ambulante Pflege Elbe Röder“ veraltet sind. „Unsere Mitarbeiter sind ausgebildet, um Betroffene zu transportieren. Und die Kassen würden viel Geld sparen.“ So koste eine Fahrt mit dem Krankentransportwagen (KTW) etwa 115 Euro, mit einem normalen Fahrdienst vom DRK nur 40. Er fordert seit Jahren ein Umdenken.

Auch das Problem der Überleitung – wenn Patienten an eine andere Einrichtung oder den Hausarzt überwiesen werden – kam zur Sprache. Die Überleitungsbögen mit Informationen über den Patienten müssten rechtzeitig und vollständig ankommen, sagte der Leiter des Radeburger Altenpflegeheimes „Friedenshöhe“, Silvio Griebsch. Auch erwarte er unter anderem eine Aufklärung der Angehörigen bereits in den Kliniken.

Generell sind Aufwand, Kosten und Machbarkeit je nach Kurzzeitpflege, stationärer oder ambulanter Pflege unterschiedlich. So sagt Meisop-Heimleiter Hagen Pollmer ganz deutlich: „Wir können Bewohner mit MRSA-Besiedlung nicht in der Kurzzeitpflege aufnehmen, da es die geforderten Hygienemaßnahmen – in Verbindung mit dem häufigen Bewohnerwechsel – nicht zulassen.“ Doch nicht nur MRSA, sondern generell multiresistente Keime stellen laut Pflegedienstleiter Andreas Fricke vom Dresdner Seniorenheim „Am Gorbitzer Ring“ vom ASB Dresden und Kamenz zunehmend eine höhere Belastung in der stationären Altenpflege dar, da die Zahl der Betroffenen steigt. „Höhere Kosten entstehen uns durch höheren Material- und Personaleinsatz. Durch die Einhaltung der Hygienemaßnahmen ist der Zeitaufwand für die Pflege höher, da unter anderem mehr Vorbereitungs- und Nachbereitungszeit benötigt wird“, sagt Fricke. „Die Kosten finden bei der Krankenkasse für stationäre Alten- und Pflegeeinrichtungen keine direkte Beachtung, auch nicht im Rahmen der Feststellung des Pflegebedarfs – der Pflegegrade.“ Hingegen für den „Ambulanten Pflegedienst“ der Volkssolidarität Meißner Umland ist lediglich ein höherer organisatorischer Aufwand bei der Planung der Hausbesuche vorhanden, da die Pflege in den eigenen vier Wänden der Betroffenen stattfindet. Das Thema Finanzierung konnte am Veranstaltungstag nicht besprochen werden. Einen Referenten, der Möglichkeiten der Unterstützung durch gesetzliche Krankenkassen erläutert, konnte das Netzwerk nicht gewinnen. Auf Nachfrage der SZ zur Problematik teilte die AOK mit: „Der Argumentation einer fehlenden Finanzierung von Patienten mit MRSA durch die Krankenkasse kann nicht gefolgt werden.“

Im Rahmen der Pflegesatzverhandlungen in stationären Pflegeeinrichtungen würden die Vergütungen entsprechend einer Mischkalkulation vereinbart. Dabei werden der Pflegegrad der Versicherten und die damit verbundenen unterschiedlichen Aufwände der Pflegebedürftigen berücksichtigt, auch der Aufwand bezüglich MRSA ist in den Kalkulationen zu Sach- und Personalkosten, so die AOK. Und die Barmer antwortete, dass es sich bei den Pflegesätzen um Mischkalkulationen handelt, die verschiedene Aufwände bereits integrieren, wie auch Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen.

Fazit: Erklärungen und Wirklichkeit unterscheiden sich. Alle müssen offen und ehrlich miteinander reden, resümierten die Teilnehmer der Tagung.