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Schweißgerät statt Schmiedefeuer

Thomas Gruhles Urgroßvater beschlug noch Pferdehufe. Seitdem hat sich der Betrieb stetig verändert.

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© Lutz Weidler

Von Stefan Lehmann

Riesa. Inmitten der Werkstatt steht er noch, der massive Schmiedeschornstein. Schon vor mehr als 100 Jahren wurde dort Metall erhitzt, um es zu bearbeiten. Über dem Eingang prangte damals ein Schild, das einen Hufschmied bei der Arbeit zeigte. Darunter stand der Name des Schmiedemeisters: Hugo Gruhle hatte das Haus im August 1906 gekauft und den Betrieb übernommen.

Drei Generationen auf einem Foto: Hugo Gruhle (ganz rechts) begründete den Familienbetrieb. Hinter ihm steht Sohn Curt, auf dem Wagenbock thront Enkel Eberhard, Vater des heutigen Chefs.
Drei Generationen auf einem Foto: Hugo Gruhle (ganz rechts) begründete den Familienbetrieb. Hinter ihm steht Sohn Curt, auf dem Wagenbock thront Enkel Eberhard, Vater des heutigen Chefs. © privat

Heute hängt das Schild im Inneren der Werkstatt am Schmiedeofen. „Das Original war durchgerostet“, erklärt Thomas Gruhle. Draußen weist eine Nachbildung auf das kleine Unternehmen hin. Seit 2002 führt Thomas Gruhle die Geschäfte in dem Familienbetrieb – in mittlerweile vierter Generation.

Mit Pferdehufen hat Familie Gruhle längst nichts mehr am Hut. „Mein Großvater Curt Gruhle hat noch Pferde beschlagen“, erzählt der 46-Jährige. Mit den Jahren hat sich die Arbeit in dem Betrieb stetig gewandelt. Immer wieder änderte sich die Nachfrage, immer wieder passte sich Familie Gruhle dem Markt an. Während des Ersten Weltkrieges stellten sie sogenannte Spanische Reiter her, Barrieren, die den feindlichen Vormarsch stoppen sollten. Während der Weltwirtschaftskrise baute und vermietete die Firma Handwagen, später entstanden in der Werkstatt auch Traktor- und Lkw-Anhänger.

Produkte in ganz Riesa

„Heute sind wir ein geprüfter Schweißbetrieb“, sagt Thomas Gruhle. Überall in der Stadt finden sich Produkte aus dem Hause Gruhle: die Geländer vor einem Wohnblock in der Bahnhofstraße oder im Inneren der Stadthalle etwa. Für die Kirche in Gröba hatte Thomas Gruhle außerdem eine Konstruktion gebaut, um die Bänke anzuheben, damit die nach dem Hochwasser 2013 ordentlich trocknen konnten. Jüngstes Projekt war der neue Eingangsbereich der Riesaer Klosterkirche. Dazu kommen noch etliche Zäune und Tore auf privaten Grundstücken.

„Etwa 60 Prozent sind Privatkunden“, sagt Thomas Gruhle, „aber wir sind auch Zulieferer für größere Betriebe.“ Mit den veränderten Aufgaben ist auch neues Werkzeug dazugekommen. In einer Ecke der Werkstatt steht nun zum Beispiel ein giftgrünes Wig-Schweißgerät. Was zu Urgroßvaters Zeiten noch Innenhof war, ist nun eine weitere Produktionshalle, in der das Rohmaterial zurechtgeschnitten wird. Der Schmiedeschornstein hat trotzdem nicht ausgedient. Für feinere Arbeiten wird er immer noch gebraucht, erklärt Thomas Gruhle. „Wir machen nichts von der Stange.“ Wer in einen Handwerksbetrieb komme, der wolle individuelle Anfertigungen.

Die Auftragslage sei ebenfalls in Ordnung, sagt der Chef. Nur dass der bürokratische Aufwand stetig gestiegen ist, ärgert ihn ein wenig. „Die Dokumentation ist heute viel aufwendiger. Für einen Auftrag können das schon ein paar Ordner werden.“ Ein anderes Problem sei die Suche nach Lehrlingen. „Die zu finden, ist sehr schwer geworden.“ Das liege auch an der Größe des Betriebes. In der Werkstatt arbeitet außer dem Metallbau-Meister noch ein weiterer Beschäftigter.

Wer da eine Ausbildung machen wolle, der müsse schon fit sein. „Die Voraussetzungen sind hoch“, sagt Thomas Gruhle. Zu DDR-Zeiten hätten viele Jugendliche noch handwerkliche Vorbildung aus dem polytechnischen Unterricht mitgebracht. Dass es den nicht mehr gibt, das merke man. Ob der Familienbetrieb in die fünfte Generation gehen wird, steht noch in den Sternen. „Ich habe Verständnis, wenn mein Sohn etwas anderes machen möchte“, sagt Thomas Gruhle. Die ersten Anlagen seien aber da, scherzt er: Momentan könne der Fünfjährige gar nicht die Finger von glänzendem Metall lassen.