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Schwarzarbeiter in Dresdner Hotels

Am Mittwoch gab es in elf Hotels in Dresden und NRW Durchsuchungen. Zwei Hoteliers wird vorgeworfen, über Jahre Schwarzarbeiter in großem Stil beschäftigt zu haben. In Dresden hat alles angefangen.

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© René Meinig

Von Sandro Rahrisch und Ulrich Wolf

Die Decken sind mit Stuck veredelt. Hier und da kommen im Treppenhaus noch die Zementfliesen aus der Gründerzeit zum Vorschein. Wo früher Arbeiter wohnten, zog 1993 das Hotel am Bonhoefferplatz ein. Kurz nach der Wende ist es eine der ersten Herbergen in Löbtau. Nicht sehr zentrumsnah, kein Luxus. Mit Zimmerpreisen ab 36 Euro die Nacht kommen Touristen heute aber vergleichsweise günstig unter. Gespart haben soll auch der Hotelbetreiber, dem das Haus bis August dieses Jahres gehörte.

Im Verdacht stehen die Betreiber Claudia H. und Rajesh K., die 2000 ihr erstes Hotel in Dresden eröffneten.
Im Verdacht stehen die Betreiber Claudia H. und Rajesh K., die 2000 ihr erstes Hotel in Dresden eröffneten. © Bruno Satelmajer

Die Classico Hotel GmbH, zu der auch das Klotzscher Point-Hotel an der Königsbrücker Landstraße gehörte, sowie zwei verbundene Unternehmen, die alle unter der Marke „Sleepnsmile“ auftraten, stehen im Verdacht, mindestens zwei Millionen Euro an Sozialabgaben hinterzogen zu haben. Auch soll den rund 650 Mitarbeitern nicht der gesetzliche Mindestlohn gezahlt worden sein. Der Zoll, der die Räume am Mittwoch durchsuchte, spricht von illegaler Beschäftigung seit 2012.

Es ist nicht das erste Mal, dass das Löbtauer Hotel im Zusammenhang mit Schwarzarbeit genannt wird: 1999 kaufte das Kolping-Bildungswerk die Unterkunft für 2,5 Millionen Mark. Nach der Insolvenz des Werkes sind die Geschäftsführer 2007 wegen Veruntreuung von Arbeitsentgelt für schuldig befunden worden, weil sie Sozialversicherungsbeiträge ihrer Mitarbeiter nicht abgeführt hatten. Bei einem Verurteilten kam Untreue dazu, da er für den Kauf des Hotels am Bonhoefferplatz einen Kredit bekam, das Geld aber nicht für den Umbau der Herberge nutzte, wie er es bei der Bank angegeben hatte.

Bei der Durchsuchung am Mittwoch sind 41 Mitarbeiter in insgesamt elf Hotels in Dresden sowie Nordrhein-Westfalen befragt worden. Außerdem haben die Ermittler der Gruppe „Schwarzarbeit“ Geschäftsunterlagen bei Steuerberatern sichergestellt. Die Auswertung wird voraussichtlich mehrere Monate in Anspruch nehmen, teilte die Behörde mit. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf leitet die Ermittlungen. Sie richten sich gegen drei Personen, nach SZ-Informationen sind Claudia H. und Rajesh K. unter ihnen.

Streit um drei Sterne

K. ist vor 16 Jahren in Dresden ins Hotelgeschäft eingestiegen. An der Mobschatzer Straße eröffnete er das Cotta-Hotel mit 45 Betten, nachdem er jahrelang als selbstständiger Managementberater in Düsseldorf gearbeitet hatte. „Ich bin eigentlich Reiseverkehrskaufmann, war ein paar Mal privat in Dresden und habe bei der Fahrt zur Autobahn das leere Hotel gesehen“, sagte er damals der Morgenpost. Mit der Eröffnung erfülle er sich einen Traum.

Zu seiner Hoteldirektorin machte der heute 52-Jährige Claudia H. Bereits wenige Monate nach der Eröffnung kommt es zum Streit mit der Einrichtung, die sächsischen Hotels die Sterne vergibt, der Saxonia Fördergesellschaft. K. und H. sollen unberechtigterweise die Drei-Sterne-Klassifizierung des vorherigen Betreibers übernommen haben. Dabei hätte die Herberge neu bewertet werden müssen. Der Besitzer wirft dem Geschäftsführer der Sternewächter vor, mit einem Akkuschrauber das Hotel gestürmt und das Sterneschild abgeschraubt zu haben. K. fühlt sich als Ausländer diskriminiert. Auch vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) zeigt er sich enttäuscht. Dieser hatte in seiner Fachzeitschrift geschrieben, das Hotel sollte Billigramsch verkaufen, aber keine Betten. Zu einer Auseinandersetzung kommt es außerdem mit der französischen Hotelkette Accor. Der Dresdner Geschäftsmann beansprucht offenbar eine Internetadresse für sich, die einen der Hotelnamen von Accor trägt. K. unterliegt.

2001 gründen K. und H. eine Eigentümergemeinschaft, in der sich ihre Hotelimmobilien befinden. In den darauffolgenden Jahren stampften sie drei Betriebsgesellschaften mit Sitz in Nordrhein-Westfalen aus dem Boden. Mit ihnen machen sie 2015 einen Gewinn von fast 700 000 Euro, wie aus den Bilanzen hervorgeht.

Unzufrieden sind dagegen Mitarbeiter der Dresdner Hotels. Laut SZ-Informationen hat es Beschwerden darüber gegeben, wie mit ihnen umgegangen wird. Ein Angestellter soll in eine Abstellkammer gesperrt worden sein, weil er Anweisungen nicht befolgte. Auch Kunden drücken auf Internet-Bewertungsportalen ihre Unzufriedenheit aus und zeigen Fotos von Schimmel in Duschkabinen.

Neuer Betreiber hilft Ermittlern

Im März dieses Jahres wird H. als Geschäftsführerin des ersten Unternehmens abberufen. Die Classico Hotel GmbH, zu der die Dresdner Häuser gehören, befindet sich derweil in Liquidation. Die Firma wird auch nicht mehr von der 49 Jahre alten Bankkauffrau geführt.

Die Dresdner Hotels sowie fünf weitere Häuser in Nordrhein-Westfalen sind vielmehr im September von der Hamburger Novum-Gruppe übernommen worden. Deren Geschäftsführer David Etmenan ist in der Hansestadt als „Hotelkönig von St. Georg“ bekannt. Sprecherin Jasmin-Madeleine Christensen-Matassa sagt: „Die Ermittlung der Staatsanwaltschaft richtet sich einzig und allein gegen die Vorbesitzer.“ Die Hotelbetriebe seien auf Basis eines neuen Mietvertrages übernommen worden. Die Novum-Gruppe sei nicht mit dem Vorbetreiber verflochten. „Wir kooperieren eng mit den ermittelnden Behörden, und der Betrieb läuft weiter.“

Die Dresdner Dehoga bezeichnet die Schwarzarbeit und die Mindestlohnverstöße als Einzelfall, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. „Der Zoll führt straffe Kontrollen durch, und 99 Prozent der Hotels halten sich an die Regeln“, sagt Geschäftsführer Gerhard Schwabe.