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Schwarz-gelber Aufstiegstaumel

Großenhains Fußballer feiern ihre Männer und ihren Nachwuchs. Ein Fest, das niemanden kaltlässt.

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© Matthias Kost

Von Thomas Riemer

Großenhain. Willi Marotz zählt die Eintrittsgelder. Normalerweise. An diesem Samstag führt das Urgestein des Großenhainer Fußballs Strichliste. Denn der GFV 90 gewährt freien Eintritt zum letzten Landesklasse-Punktspiel der Männer gegen den Hainsberger SV. Vorstandsmitglied Ralf Braune „wacht“ mit übergezogener gelber Weste als Ordner über das Stadiontor. Mit vielleicht 150 oder 200 Zuschauern rechnet er – so kann man sich täuschen. Weit mehr als 400 Männer, Frauen und Kinder lassen den Tag zu einem Riesen-Event auf der Jahnkampfbahn werden. Die GFV-Ankündigung, neben kostenlosem Eintritt, Freibier und Fassbrause „solange der Vorrat reicht“, Hüpfburg, Quadkurs und weiteren Sponsoren-Angeboten das Saison-Halali zu versüßen, verfehlt seine Wirkung nicht.

Mit einem Trabant Cabrio in Dynamo-Dresden-Outfit wurde am Sonnabend der Siegerpokal für Landesliga-Aufsteiger Großenhainer Fußballverein 1990 zur Jahnkampfbahn gebracht.
Mit einem Trabant Cabrio in Dynamo-Dresden-Outfit wurde am Sonnabend der Siegerpokal für Landesliga-Aufsteiger Großenhainer Fußballverein 1990 zur Jahnkampfbahn gebracht. © Matthias Kost

Bier und Brause teilen fleißige GFVler freilich erst nach dem 5:1-Erfolg gegen Hainsberg aus. Vorher stehen 150 Minuten Erlebnis am laufenden Band auf dem Programm. Die Halbzeitpause gehört dem Nachwuchs. F-, E- und B-Jugend bekommen Medaillen für ihre Titel und Platzierungen der laufenden Saison. Nachwuchstrainer Heiko Probst: „Hier steht die Zukunft des Großenhainer Fußballs auf dem Rasen.“ Den beinahe noch größeren Auftritt erleben die Talente erst nach Spielschluss bei den „Großen“: Als der große Pokal für den Landesliga-Aufsteiger mit dem schwarz-gelben Trabant-Cabrio einrollt, stehen die Knirpse Spalier für die GFV-Aufstiegshelden, werden abgeklatscht. Goldener Konfetti-Regen, „Indianertanz“ jubelnder Fußballer und Betreuer, „We are the Champions“ aus den Lautsprechern – einfach schwarz-gelber Taumel. Die Truppe um Kapitän Silvio Schwitzky vergisst niemanden. Auch Christian Müller, Gründungspräsident des GFV 90, findet sich spontan im Jubelkreis wieder.

Nur einer steht etwas abseits. „Ich genieße das“, sagt Andreas Vogel. Seit ein paar Jahren ist er GFV-Präsident und hat mit einem riesigen Team von Ehrenamtlern den Verein in die Erfolgsspur gebracht. „Der schönste Tag der letzten zehn Jahre“, stammelt er angesichts unvergesslicher Szenarien vor seinen Augen auf dem Rasen. „Aber wir haben darauf hingearbeitet.“ Das Gros der Aufstiegshelden kommt aus dem eigenen Nachwuchs – Spieler wie Henning Lotzmann oder „Nesthäkchen“ Nick Volkmann haben sich neben den Erfahrenen etabliert. Das soll auch so bleiben – sicherlich mit ein paar Verstärkungen, wenn es in der Landesliga gegen Teams aus Grimma, Niesky und Hohenstein-Ernstthal geht. Und natürlich Stahl Riesa. „Dann kommen hier bestimmt 1000 Leute“, blickt Andreas Vogel voraus.

Das Stadion an der Jahnkampfbahn ist für die neue Liga gewappnet. Größere Investitionen seien nicht notwendig, so Vogel. Bei bestimmten Spielen mit großem Fan-Andrang des Gegners schreibt der Sächsische Fußballverband zwar externe Gäste-Blocks und -Eingänge vor. Ein Problem sehe man darin aber nicht. Um auch die eigenen Anhänger in Scharen anzulocken, sollen insbesondere die Vereinssponsoren für zusätzliche Anreize am Rande des grünen Rasens sorgen – so wie zur Aufstiegssause am Sonnabend. Und dann sind da ja auch die „Großenhainer Löwen“. Jenes bislang recht überschaubare Häuflein der eingefleischten GFV-Fans, die kein Spiel ihrer Lieblinge verpassen und auch Hand anlegen, wenn ihre Hilfe gebraucht wird. Und so soll auch künftig ein Rädchen ins andere greifen.

Auf dem Rasen vor dem Vereinshaus ist es inzwischen familiärer geworden. Die Spieler haben ihre Frauen und Kinder herbeigeholt, Bier und Brause fließen – Erfolgstrainer Andreas Jachmann bekommt dies hautnah per Bierdusche zu spüren. Er nimmt es sportlich. Wie das gesamte Team bleibt er der Mannschaft in der neuen Saison erhalten. Detlef Kubitz, laut Silvio Schwitzky „der kleinste und beste Mannschaftsleiter“, hat sich den neuen Sani-Koffer, den der Fußballverband neben Pokal, Medaillen und Spielball geschenkt hat, sofort an Land gezogen. „Detti“ ist auch so eine von den vielen guten Seelen im Verein und insbesondere im Team der „Ersten“.

Zwei Stunden nach Spielschluss feiern Mannschaft, Verein und Fans immer noch ausgelassen. Willi Marotz, Ralf Braune, Heiko Probst und viele andere haben ihren Job erledigt. Nur einer hat noch keine Zeit für die Fete. Es ist der Platzwart, der Woche für Woche dafür sorgt, dass hier überhaupt gespielt werden kann. Sein Job diesmal hat mit Rasenpflege allerdings erst in zweiter Instanz zu tun: Es gilt, den goldenen Konfetti-Regen nach einer rauschenden Aufstiegsfeier aufzusaugen.