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Schulstunde auf der Streuobstwiese

Gymnasiasten pflanzen in Kleinopitzer Apfel-, Birnen- und Kirschbäume nach. Dabei geht es auch um einen besonderen Bewohner.

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© Andreas Weihs

Von Annett Heyse

Wilsdruff. Mist, die Schuhe sind schon mal durch. Jetzt gibt es nur noch eines: Gegen das Unwetter anschaufeln, damit wenigstens der Oberkörper halbwegs warm bleibt. Toni und Florian greifen zum Spaten und schippen, während der Regen an diesem Freitagmittag waagerecht über sie hinwegpfeift. Der Einsatz der Gymnasiasten am Ortsrand von Kleinopitz gilt einer Streuobstwiese und elf jungen Apfel-, Kirsch- und Birnenbäumen, die hier in Zukunft wachsen sollen. Dafür lassen die Tharandter Neuntklässler extra die Sportstunde sausen.

Die Wiese am Ende der Saalhausener Straße gehört Daniel Barth. Vor drei Jahren hatte er hier ein riesiges Grundstück gekauft, um ein Haus zu bauen. Im hinteren Teil erstreckte sich damals ein Gestrüpp. „Es war eine Mischung aus alten Obstbäumen, manche bereits umgefallen, Brombeersträuchern und viel Unkraut“, erzählt er. Die Wildnis sei so dicht gewesen, dass man gar nicht durchlaufen konnte. Der 29-Jährige, in einem Dorf groß geworden und gelernter Landwirt, packte an und verwandelte die Fläche wieder in eine Streuobstwiese. Aus den Bäumen holte er abgestorbenes Holz. Inzwischen hat er mehrmals geerntet. „Die tragen ganz ordentlich.“

Über Kontakte zum Landschaftspflegeverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge entstand schließlich die Idee, im Rahmen eines Projektes zu den alten Bäumen neue zu pflanzen – und zwar von Schülern. Dabei geht es auch um einen besonderen Bewohner der Kleinopitzer Streuobstwiese – den Juchtenkäfer, auch Eremit genannt. Der braunschwarz gefärbte Krabbler kommt in Sachsen sehr selten vor, lediglich zwischen Pirna und Meißen im Elbtal ist die in Deutschland stark gefährdete Art verbreitet. Aber auch auf der Kleinopitzer Streuobstwiese wurde er gefunden.

Kleiner Krabbler sucht Lebensraum

„Der Eremit lebt im Mulch alter Baumhöhlen und ist sehr standorttreu, weil sein Aktionsradius gerade einmal wenige Hundert Meter beträgt“, erklärt Cordula Jost. Sterben Bäume ab, fehlt dem Juchtenkäfer die Wohnstube und er braucht einen Ersatz, der möglichst in der Nähe steht. Gerade deshalb sei es so wichtig, dass auf einer Streuobstwiese unterschiedlich alte Bäume wachsen, so Jost: „Wir haben großes Interesse daran, dass alte Bäume erhalten und junge Bäume nachgepflanzt werden.“

Zudem sind Streuobstwiesen nicht nur für den Eremiten wichtig, sondern auch landschaftsprägend. Und sie haben einen hohen ökologischen Stellenwert, weil sie ein einzigartiges Biotop bilden. „Sie sind Lebensraum für Baumhöhlenbrüter wie den Steinkauz, für viele weitere Vögel, für Fledermäuse, Hornissen und andere Insekten wie Heuschrecken und Wildbienen“, zählt Cordula Jost auf. Die Tiere profitieren dabei nicht nur von den Bäumen, sondern auch von den Gräsern, Kräutern und Wildblumen auf Streuobstwiesen. Zudem wachsen auf solchen Wiesen und an Obstbaum-Alleen viele alte Obstsorten, „eine riesige Genvielfalt“, wie Jost sagt. Denn allein in Deutschland gebe es etwa 600 Apfelsorten, die einst gezüchtet und angebaut wurden. Jede Sorte für sich hat besondere Eigenschaften. Jost: „Das ist ein Schatz, den wir bewahren und schützen müssen.“

Deshalb pflanzen Toni, Florian und deren Klassenkameraden auch Apfel-, Birnen- und Kirschsorten an, die es nicht in den Supermärkten zu kaufen gibt. Alle Bäume sind sogenannte Hochstämme, also Sorten, die recht groß werden im Gegensatz zum heutigen Plantagenobst. Pflege und Ernte der alten wie neuen Bäume wird Daniel Barth übernehmen. Damit ihm seine Wiese nicht wieder verwildert, ist zweimal jährlich eine Grasmahd notwendig. Das übrigens sollen in Zukunft andere erledigen. Barth beabsichtigt, die Wiese wieder so zu bewirtschaften, wie das früher üblich war. Da grasten in der Regel Tiere unter den Obstbäumen und hielten das Unkraut kurz. „Ich denke an Kamerunschafe. Solche kenne ich aus meiner Jugend, die sind total unkompliziert.“ Und der Eremit steht auch nicht auf deren Speiseplan, höchstens mal ein herunter gefallener Apfel.