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Schulen benötigen mehr Lehrer

Nadine Simon hat bald ihren Abschluss geschafft – und bleibt in Görlitz. Sie wird dringend gebraucht.

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© Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.com

Von Susanne Sodan

Görlitz. Im Lehrerzimmer herrscht Jubel. Vor wenigen Minuten hat Nadine Simon die Note ihrer Lehrprobe erhalten: 1,0. „Wir müssen sie einfach behalten“, ruft Schulleiter Frank Dörfer und freut sich. Denn mit größter Wahrscheinlichkeit wird Nadine Simon an der Scultetus-Oberschule bleiben, ab dem 1. August als Lehrerin für Deutsch und Geografie. Ein Jahr lang hat sie ihr Referendariat, also den Vorbereitungsdienst zum Lehrerdasein, an der Scultetus-Oberschule absolviert.

Nadine Simon stammt aus Zittau, in Dresden hat sie studiert. Als sie sich fürs Referendariat anmeldete, konnte sie drei Wunschschulen angeben. Als einen ihrer drei Wünsche nannte sie die Scultetus-Oberschule. „Mir hat das Konzept gefallen“, sagte sie. Zurück in die Oberlausitz nach sieben Jahren in Dresden – eine Umstellung sei das schon gewesen. „Auf Görlitz habe ich mich aber auch sehr gefreut, ich kannte die Stadt ja.“ Und über Mundpropaganda habe sie viel Gutes von der Scultetus-Oberschule gehört. „Ich hätte es auch nicht besser treffen können. Ich bin hier so gut aufgenommen worden, von allen Kollegen.“ Sie will bleiben und hat sich auf eine sogenannte schulscharfe Ausschreibung beworben. Eine Stelle, die direkt von der Schule ausgeschrieben ist. Diese Möglichkeit gibt es in Sachsen erst seit vergangenem Jahr. Normalerweise bewerben sich Lehrer, die sich für Sachsen entscheiden, zentral beim Landesamt.

Auf mehr Lehrer hoffen auch andere Schulen, denn die Schülerzahl steigt in Görlitz. Man sieht es beispielsweise an den Anmeldungen für die fünften Klassen. Zum Schuljahr 2017/18 hatten sich 458 Fünftklässler an den Görlitzer Oberschulen und Gymnasien angemeldet, für kommendes Schuljahr sind es 516. Es ist bereits bekannt: Die Scultetus-Oberschule wird nächstes Schuljahr drei neue fünfte Klassen eröffnen, bisher waren es immer zwei. Dafür braucht es auch Personal. Auch deshalb freut sich Frank Dörfer so sehr, dass Nadine Simon höchstwahrscheinlich an der Schule bleibt, es laufen gerade letzte Formalitäten. Vor Kurzem hat er bereits eine neue Lehrkraft, einen Seiteneinsteiger, dazubekommen. „Ich denke, damit kommen wir personell hin“, sagt er.

Bekannt ist auch, dass andererseits die Oberschule Innenstadt entlastet wird, sie wird kommendes Schuljahr nur noch drei statt vier neue fünfte Klassen eröffnen. „In der Theorie würden wir dadurch mit unserem Personal kommendes Schuljahr ausreichen“, erzählt die stellvertretende Schulleiterin der Innenstadt-Oberschule, Angelika Hahn. „Aber wir haben leider drei Langzeitkranke.“ Es wird zum Beispiel dringend jemand gebraucht, der Evangelische Religion unterrichten kann.

Auf wenigstens einen weiteren neuen Lehrer hofft Angelika Hahn sehr – nämlich auf einen neuen Direktor für die Oberschule. Bis Anfang des Jahres hatte Constanze Groß diesen Posten inne, im Februar beendete sie das Dienstverhältnis. Es gibt einen Bewerber für die Stelle. Am Montag sprach er in der Schulkonferenz vor – und wurde einstimmig bestätigt. Ob er nun wirklich an die Innenstadt-Oberschule kommt, hängt jetzt noch an der Bestätigung durchs Kultusministerium. „Ich bin sehr optimistisch, dass es klappt“, sagt Angela Hahn mit einem Schmunzeln.

Optimistisch ist auch Uta Dietzel. Wie viele neue Lehrer sie braucht? „Das kann ich so gar nicht sagen. Wir geben an das Landesamt keine Personenzahl weiter, sondern die Zahl der Unterrichtsstunden, die wir besetzen müssen“, erklärt die Leiterin der Melanchthon-Oberschule. Die schwierigen Rechnungen stehen dann beim Landesamt an: Wie viele Lehrer mit welcher Fächerkombination hat die Schule? Wie viele der Lehrer arbeiten in Vollzeit, wer will in Teilzeit gehen? Wo ist eine Abordnung möglich? Wer zieht aus beruflichen oder privaten Gründen ganz weg? Derzeit laufen noch die Planungen und Einstellungsgespräche, sagt Angela Ruscher, Sprecherin des Landesamtes für Schule und Bildung in Bautzen. Dass mehr neue Lehrer gebraucht werden, kann sie bestätigen, allerdings gelte das nicht nur für Görlitz. Jeder ausgebildete Lehrer, der sich beim Landesamt bewirbt, bekomme auf jeden Fall ein Angebot, sagt Angela Ruscher.

Steigende Schülerzahlen sind nur einer von vielen Gründen. Das altbekannte Problem: In den vergangenen Jahren sind viel mehr Lehrer in den Ruhestand gegangen, als Nachwuchs eingestellt wurde. Uta Dietzel kennt als Leiterin der Melanchthon-Oberschule noch viele andere Gründe: Bei ihr wird jetzt eine Quereinsteigerin noch einmal studieren, also die berufliche Lehrerqualifikation absolvieren. „Für die Zukunft ist das völlig richtig“, sagt Uta Dietzel. Im nächsten Schuljahr kann die Kollegin aber nur in Teilzeit arbeiten. Außerdem wird ein junger Vater Elternzeit nehmen.

„Und auch ältere Lehrer gehen heute häufiger in Teilzeit, auch bei uns.“ Aus Erfahrung kann Uta Dietzel schätzen: Etwa drei neue Lehrer wird sie benötigen.