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Schulden in der Kita

Hunderte Eltern stehen bei Kommunen und freien Trägern in der Kreide. Ihnen drohen harte Konsequenzen.

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© dpa

Von Sebastian Kositz und Jens Fritzsche

Radeberg. Kinder kosten Geld. Allein für die ganztägige Betreuung in Krippe, Kindergarten oder Hort müssen Eltern tief in die Tasche greifen. Ein Krippenplatz in Wachau kostet aktuell beispielsweise 190 Euro, ab Januar werden es dann 198 Euro sein. Für einen Neunstunden-Kita-Platz in Radeberg müssen Eltern derzeit 121 Euro berappen, ein Hortplatz kostet für sechs Stunden aktuell 70 Euro.

Und in der Kreisstadt Bautzen kostet der Platz in der Krippe für neun Stunden aktuell etwas mehr als 200 Euro. Geld, das aber offenbar nicht alle Eltern aufbringen können oder wollen. Denn viele Städte und freie Träger im Landkreis klagen über teils beträchtliche Außenstände. Bautzen verweist derzeit auf etwa 100 000 Euro, die sich in zwei Jahrzehnten aufsummierten. In Radeberg sind es aktuell rund 15 000 Euro, die Eltern den Kitas schulden. Schon seit Januar greift Radeberg in Sachen säumiger Zahler deshalb hart durch. Im vergangenen Herbst hatte der Stadtrat – zwar nach sehr ausführlicher Debatte – entschieden: Wer zwei Monate im Zahlungsrückstand ist, dem dürfen die Kita-Betreiber kündigen. Radeberg hat ja bekanntlich keine städtischen Kitas, sondern setzt ausschließlich auf freie Träger.

Grund für diese auf den ersten Blick durchaus harte Radeberger Entscheidung in Sachen Zahlungsmoral sind vor allem die langen Wartelisten bei den Kitas. Denn während einige Eltern nicht zahlen, warteten andere händeringend auf einen Platz. Und die Wartelisten in so mancher Kinder-Einrichtung der Bierstadt sind lang, machte Radebergs OB Gerhard Lemm (SPD) deutlich, dass es vor allem im Krippenbereich oft nicht leicht ist, den passenden – oder gar überhaupt einen – Platz zu bekommen. Ein Fakt, der auch den Liegauer Ortsvorsteher und SPD-Stadtrat Gabor Kühnapfel in der Stadtrats-Diskussion mächtig aufgeregt hatte. Kurz zuvor hatte auch der Liegauer Ortschaftsrat das Thema beraten; und mit in der dortigen Runde hatte die Chefin der Awo-Kita in Liegau-Augustusbad, Margit Weinert, gesessen: „Unsere Warteliste ist mittlerweile auf 34 Kinder angewachsen“, sagte sie. Eine durchaus gewaltige Zahl.

Also entschieden die Stadträte letztlich, die Kita-Satzung dahingehend zu ändern, dass es nach dem ersten Monat Zahlungsverzug eine Mahnung gibt, nach dem zweiten nicht bezahlten Monat erfolgt dann die fristlose Kündigung. Wobei natürlich in jedem einzelnen Fall die Umstände für den Zahlungsverzug geprüft werden, legten die Räte fest. Zudem wird den Eltern dargelegt, dass sie im Notfall einen entsprechenden Hilfsantrag beim Landratsamt stellen können und bis zu 100 Prozent des Beitrags finanziert bekommen. „Aber dieses Stück Selbstständigkeit können wir den Eltern dann auch nicht abnehmen, den Antrag müssen sie schon selber stellen“, so OB Lemm in der Debatte. Und selbstverständlich werde auch nach einer Kündigung darauf geachtet, was mit den Kindern passiert, legten die Stadträte fest. In den vergangenen sieben Monaten musste aber noch keine Kündigung ausgesprochen werden, heißt es. Die Maßnahme wirkt also.

Aber warum geraten so viele Eltern in Rückstand, können nicht zahlen – wenngleich Bedürftige wie erwähnt die Chance haben, Unterstützung beim Amt zu beantragen? Tatsächlich, so sagt zum Beispiel Sascha Hache aus dem Oberbürgermeisterbüro in Bischofswerda, handele es sich bei den Betroffenen oft um Familien, die bereits staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen. Diese haben die Möglichkeit, beim Jugendamt eine Übernahme der Elternbeiträge zu beantragen. Die Bewilligung erfolgt jeweils für ein halbes Jahr. „Oft wird der Antrag aber zu spät im Landratsamt gestellt oder der Folgeantrag vergessen“, so Sascha Hache.

Doch es gibt noch andere Gründe. Die Stadtverwaltung in Bautzen beobachtet unter anderem auch Probleme nach Trennungen der Eltern – oder einfach durch eine „unübliche Zahlungsmoral“, wie Laura Ziegler von der Pressestelle erklärt. Und Sascha Hache verweist darauf, dass vielen Familien die eigene finanzielle Planung offenbar einfach schwerfalle. Ein Phänomen, das auch Marina Schneider, die Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Bautzen bestens kennt – und hat ebenso mit Eltern zu tun, die das Geld für den Kitaplatz ihrer Kinder nicht aufbringen können. „Viele Eltern haben Schwierigkeiten mit der Einteilung des Geldes“, sagt die Awo-Chefin. Geld werde nach Verfügbarkeit ausgegeben und Rechnungen mitunter erst beglichen, wenn eine Mahnung eintrifft.

Die Radeberger Entscheidung ist damit also durchaus eine gerechtfertigt.