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Schüler werden Lehrer

Stunden fallen aus, der Bedarf an Nachhilfe steigt. Ein Projekt am Melanchthon-Gymnasium Bautzen macht aus der Not eine Tugend.

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© Robert Michalk

Von Madeleine Arndt

Bautzen. Es ist Viertel drei am Nachmittag im Melanchthon-Gymnasium in Bautzen. Einzeln oder in Grüppchen strömen die Schüler dem Ausgang zu. Ein langer Unterrichtstag geht zu Ende. Jedoch nicht für alle. In einigen Klassenzimmern wird nach dem Unterricht noch konzentriert gearbeitet. 34 Nachhilfestunden werden wöchentlich nach der siebenten oder achten Schulstunde gegeben. Das Besondere daran: Nicht Erwachsenen vermitteln den Stoff, sondern die Schüler helfen sich selbst.

So setzen sich einmal in der Woche die 15-jährige Klara und die 13-jährige Melinda zusammen, um Mathe zu büffeln. Die Neuntklässlerin erklärt dem Mädchen aus der Siebten zum Beispiel, wie man Oberflächen von Pyramiden berechnet. Dazu blättern sie in Tafelwerken, Lehrbüchern und ihren Aufzeichnungen aus dem Unterricht. „Schüler helfen Schülern“ heißt das Nachhilfeprojekt. Es startete bereits 2013, hat aber im aktuellen Schuljahr an Bedeutung gewonnen. Es ist das wichtigste Projekt des Schulfördervereins geworden.

„Der Lehrermangel hat sich zugespitzt. Seit diesem Schuljahr darf kein fakultativer Unterricht mehr stattfinden“, sagt Patrick Höhne. Der 21-jährige CDU-Stadtrat ist seit vier Jahren Vorsitzender des Fördervereins. Am Melanchthon-Gymnasium wie auch an anderen Schulen in Sachsen haben die Ausfallstunden durch fehlende Lehrkräfte zugenommen. Mittlerweile konzentriert sich alles darauf, die Pflichtfächer abzudecken. Das wiederum lasse den Bedarf an Nachhilfe steigen – vor allem in den Problemfächern Mathe, Latein, Chemie und Französisch. – Am Melanchthon-Gymnasium gibt es inzwischen 46 Nachhilfeschüler und 56 sogenannte Nachhelfer. In der Regel wird in Zweiergruppen gelernt. Am häufigsten ist Mathe gefragt – hier gibt es 22 Nachhilfeschüler, die von 18 Mathe-Assen gefördert werden. Dann kommen Englisch mit neun Nachhilfeschülern sowie Französisch, Latein und Chemie mit je fünf Nachhilfeschülern und zuletzt gibt es noch einen Nachhilfeschüler im Fach Physik. Die Gymnasiasten der oberen Klassen können diesen Bedarf abdecken. Allein bei Latein gibt es eine Lücke. Jungen und Mädchen, die in der neunten und zehnten Klassenstufe Unterstützung brauchen, müssen sich die außerhalb der Schule suchen.

Man brauche mindestens die Note Zwei im Fach, in welchem man anderen Schülern den Unterrichtsstoff beibringen will und eine Beurteilung vom Fachlehrer. Schließlich müsse man den Stoff verstehen und gut erklären können, betont Klara, während sie mit Melinda Mathe paukt. Die ist ganz glücklich über das Angebot. „Ich fühle mich jetzt bei Leistungskontrollen sicherer; weil ich weiß, dass ich das kann“, sagt Melinda. Die Kosten von fünf Euro pro Stunde zahlen ihre Eltern. Im Vergleich zu einem außerschulischen Angebot mit 15 bis 20 Euro pro Stunde sei das ein anständiger Preis, findet Patrick Höhne.

Das Nachhilfeprojekt hat sich gut eingespielt. Die Mathe-Physiklehrerin Kerstin Pfalz macht die Stundenplanung und kümmert sich, dass die benötigten Klassenräume zur Verfügung stehen. Geschichtslehrer Andreas Erhardt regelt den Zahlungsverkehr. Wird ein Schüler krank, muss die Stunde nicht bezahlt werden. – Klara bekommt pro Nachhilfestunde acht Euro, also mehr als die Eltern zahlen. „Zur Motivation“, wie Patrick Höhne erklärt. Die Differenz begleicht der Schulförderverein. Dafür konnte er sich in diesem Jahr die Kreissparkasse Bautzen als Sponsor mit ins Boot holen. „Allerdings stehen wir vor dem Problem, wie wir das im nächsten Schuljahr weiterfinanzieren können“, sagt Höhne.

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