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Schüler vergeben Literaturpreis

Ein fremdsprachiges Buch im Original zu lesen, ist eine Herausforderung. Bautzener Gymnasiasten nahmen sie an.

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© Uwe Soeder

Von Carolin Keller

Bautzen. Die Augen richten sich nur auf die beiden Elftklässler. Juliane Gischel und Johanna Fuchs vom Philipp-Melanchthon-Gymnasium Bautzen schauen noch mal schnell in die Bücher. Dann gehört ihnen die ganze Aufmerksamkeit. Gemeinsam präsentieren sie ihren Mitschülern die Schmöker, die sie in den vergangenen Monaten gelesen haben. Nichts Besonderes? Doch, schließlich handelt es sich um französische Originallektüre.

Mit dieser Aktion beteiligen sich die beiden zusammen mit zwei weiteren Schülerinnen am Wettbewerb „Le prix des lycéens allemands“. Der Literaturpreis wird seit dem Schuljahr 2004/2005 unter anderem von der Kulturabteilung der französischen Botschaft in Berlin und dem Klett-Verlag organisiert. Das Bautzener Gymnasium nimmt zum vierten Mal teil. Wie Juliane und Johanna lesen bundesweit ausgewählte Schüler einiger Gymnasien französische Jugendliteratur. Die vier ausgewählten Bücher wurden noch nicht ins Deutsche übersetzt. Doch warum nimmt das Philipp-Melanchthon-Gymnasium überhaupt teil? „Es ist ein einmaliges Projekt“, findet die Französischlehrerin Gabriela Schöttker. „Wann ist es Schülern denn möglich, einen Literaturpreis zu vergeben? Noch dazu für ein Buch, das in Deutschland noch nicht erschienen ist.“ Zudem könnten sich die Jugendlichen mit Originalromanen auseinandersetzen. Es ist eine schöne Abwechslung zur Schullektüre. Begeistern konnten Juliane und Johanna die Mehrheit für den Roman „Ce cahier est pour toi“ (Dieses Heft ist für dich) von Valérie Dayre. Er handelt von einer älteren Dame, die im Seniorenheim lebt und an Alzheimer erkrankt ist. Sie erzählt ihrem Enkel in Tagebuchform vom Leben zwischen Halluzination und Wirklichkeit. Granninouchka, so wird die Dame genannt, berührt mit ihren Erzählungen junge Leser. „Es war eine tolle Erfahrung, ein original französisches Buch zu lesen“, sagt Juliane. Mit ihrem ausgewählten „Bestseller“ fährt sie demnächst nach Leipzig, um nochmals für ihre Wahl zu kämpfen und dann mit anderen Schülern sachsenweit einen Roman als Lieblingsbuch zu bestimmen.

Aktuelle Themen werden behandelt

16 Schüler treffen sich zu einer letzten Debatte. Dort wird ein deutschlandweiter Favorit gewählt werden. Für Gabriela Schöttker ist diese Präsentation der „Blick über den Tellerrand“. „Zuerst muss der Schüler sich durch das Buch kämpfen. Dann müssen sie ihre Wahl verteidigen und mit anderen diskutieren“, sagt sie.Auch die Romane haben ihrer Meinung nach eine starke Wirkung. „Die aktuellen Bücher setzen sich mit aktuellen Problemen auseinander.“ So beschäftigte sich zum Beispiel „Une arme dans la tete“ (Eine Waffe im Kopf) mit der Problematik der Kindersoldaten. Des Weiteren thematisiert es die Auseinandersetzung mit Natur- und persönlichen Katastrophen. Der Roman „Àpres la vague“ (Nach der Welle) erzählt die Geschichte eines Jugendlichen, der einen Tsunami überlebte. Alle vier Romane beschäftigen sich mit Themen, die Schüler ansprechen. „Am Anfang ist es schwierig“, bemerken die Tester, „doch nach ein paar Seiten gewöhnt man sich an die Sprache.“

Das Gewinner-Buch wird im März auf der Buchmesse in Leipzig vorgestellt. Der Autor bekommt eine Prämie. Außerdem übersetzt der Klett-Verlag diesen Roman ins Deutsche. Vielleicht also steht bald „Le cahier est pour toi“ in den Buchläden.