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Schüler auf den Spuren von Luther

Wie der Reformator so tickte, erkundeten Siebtklässler der Oberschule Niesky in der Bibliothek. Ein schweres, aber durchaus spannendes Thema.

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© SZ/Steffen Gerhardt

Von Constanze Knappe

Niesky. Männer haben immer noch das Sagen. Eine der Feststellungen Luthers, die bis heute nicht vollends ausgehebelt ist. Am liebsten hätten sich Paul, Joseph, Jason und Vanessa damit auseinandergesetzt. Weil sie es lustig fanden, wie Paul begründete. Als sich die 12- bis 14-Jährigen aus der Oberschule Niesky gestern in der städtischen Bibliothek mit Martin Luther befassten, ging es stattdessen aber um die 28. seiner 95 Thesen, die der Theologieprofessor am 31. Oktober 1517 an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg genagelt haben soll. Und die da heißt: „Gewiss, sobald das Geld im Kasten klingt, können Gewinn und Habgier wachsen. Aber die Fürbitte der Kirche steht allein auf dem Willen Gottes.“ Geld verdirbt den Charakter, würde man sie volkstümlich übersetzen. Es sei allemal besser, als ehrlicher und solider Mensch zu leben, als sich freikaufen zu müssen, brachte es Joseph (14) auf den Punkt. Es bringt ja nichts, einen simplen Zettel, sprich ein Ablasspapier zu erwerben, damit einem die Sünden vergeben werden und man nicht im Fegefeuer landet. Martin Luther war das vor 500 Jahren klar, weshalb er diese und weitere Missstände in der Kirche an den Pranger stellte. Beinahe überflüssig zu sagen, dass er sich damit nicht nur Freunde machte.

Luther und die Reformation ist der zweite große Lernbereich im Geschichtsunterricht der siebten Klassen. Den Einstieg ins Thema vollzogen 28 Mädchen und Jungen der Oberschule Niesky gestern auf eher ungewohnte Weise. An sieben Stationen beschäftigten sie sich mit dem Ablass-prediger Johann Tetzel, dessen Predigten Anlass für Luthers Thesen gewesen sein sollen, mit dem Leben Luthers, seinem Verhältnis zu Papst und Kaiser, den Lutherstädten Eisenach, Wittenberg und Erfurt und seiner Frau Katharina von Bora, die einst Nonne war, als Mutter von sechs Kindern an Luthers Seite aber durchaus als frühe Vorreiterin der Emanzipation gelten könnte. Mit Luthers Thesen hatte Josephs Gruppe „ein wahnsinnig schweres Thema“ erwischt, wie es Geschichtslehrerin Simone Schlegel formulierte. Dennoch gehörten die Vier zu denen, die ihre Aufgabe am besten meisterten. „Fehler selber einzusehen“, bezeichnete Joseph als eine Forderung Luthers, die noch heute aktuell ist. Ebenso wie die, dass, wer in einer Gemeinschaft lebt, sich auch um andere kümmern sollte. Im Unterricht werden sich die Schüler noch ausführlicher mit den Thesen und dem Leben Martin Luthers beschäftigen.

Skeptisch sei sie zunächst gewesen, so Simone Schlegel. Nach drei Stunden intensiver Gruppenarbeit war sie nach eigener Aussage dann aber froh, das Angebot der Bibliothek genutzt zu haben. Einige Kinder aus der Klasse gehen regelmäßig in die Bücherei. Bei dem Projekt mussten alle zu vorgegebenen Aufgaben Informationen aus Büchern herausarbeiten, die ihnen als Textquellen dienten. Anschließend stellten die Gruppen einander ihre Ergebnisse vor.

Vorbereitet hatte Benita Fürll das Ganze. Die 30-Jährige studierte Geschichte und Kunstgeschichte. Dabei sei die Reformation ein großes Thema gewesen. Es habe sich angeboten, daraus ein Projekt für Schüler zu machen, erklärte die ehrenamtliche Mitarbeiterin der Bibliothek in Niesky. Damit es für die Kinder zu schaffen war, traf sie nach Absprache mit der Lehrerin eine Vorauswahl der Materialien. Das angestrengte Arbeiten fiel nicht allen Schülern leicht. Wie Vanessa, Paul, Joseph und Jason fanden es die meisten dennoch spannend und „besser als normalen Unterricht“.