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Schrauben statt Chillen

Die Bundesagentur vermittelt sachsenweit nur noch eine Handvoll Ferienjobs. Viele Schüler gehen trotzdem arbeiten.

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© Bonss

Von Ines Mallek-Klein und Franz Werfel

Das frühe Aufstehen fällt ihm in den Ferien besonders schwer, gibt Erik aus Langenwolmsdorf zu. Der 15-jährige Gymnasiast werkelt in den Sommerferien zwei Wochen lang täglich von 6 bis 15 Uhr bei dem Metallbaubetrieb G.S. Stolpen. „Die Zeiten sind fix, wegen des Schichtbetriebs“, sagt Erik. „Ich muss ja beaufsichtigt werden.“ Im Schatten der mittelalterlichen Burg Stolpen steht er an seiner Werkbank und schraubt Schienen an Edelstahltüren. Erfahrene Mitarbeiter setzen diese dann zu Catering-Systemen zusammen. Die Schränke, Wagen und Kochnischen für Großküchen exportierte das mittelständische Unternehmen aus der Sächsischen Schweiz sogar schon zur Formel 1 – an die neue Strecke im Wüstenstaat Bahrain.

Zehn Arbeitstage steht Erik in diesen Sommerferien an der Werkbank. Danach will er endlich seinen Mopedführerschein fertigmachen. „Sonst bist du auf dem Dorf abgehängt“, sagt er. Für seinen Führerschein braucht er das Geld, das er hier verdient. „Es ist deutlich weniger als Mindestlohn, hilft aber trotzdem“, sagt er. Mehr darf er nicht verraten.

Daniela Bähr ist die Personalchefin der G.S. Stolpen. Sie erklärt, dass Firmen unter 18-Jährigen keinen Mindestlohn zahlen müssen. Als einer von wenigen Betrieben in der Region hält der Stolpener Metallbauer an den Ferienjobbern fest. Obwohl sie am ersten Tag erst einmal eingearbeitet werden müssen. Fast alle bleiben dann nur zwei Wochen.

Infos zu Ferienjobs

Müssen Ferienjobber Steuern zahlen?

Jeder Arbeitslohn, auch der für einen Ferienjob, ist steuerpflichtig. Allerdings wird die Abgabe erst dann berechnet, wenn der monatliche Verdienst über rund 950 Euro liegt. Die meisten Ferienjobber liegen darunter, erhalten also ihren Verdienst brutto für netto.

Wie wird der Lohn abgerechnet?

Zur Abrechnung braucht der Arbeitgeber die Steueridentifikationsnummer und das Geburtsdatum seines jungen Mitarbeiters. Die Abrechnung wird dann über das elektronische Elstam-Verfahren abgewickelt. Ist der Ferienjob das einzige Beschäftigungsverhältnis, wird der Schüler automatisch in die Steuerklasse I eingeordnet. Ist der Schüler oder Student noch woanders gemeldet, wird er mit dem „Zweitjob“ in Klasse VI eingestuft. Die Lohnhöhe wird vorab vereinbart. Sie sollte genau wie die Aufgaben und Arbeitszeiten vor Beginn der Tätigkeit schriftlich vereinbart werden. Hält sich der Arbeitgeber nicht an den Vertrag, können sich Schüler zusammen mit ihren Eltern an das Gewerbeaufsichts- oder Arbeitsschutzamt wenden.

Wo lauern Fallstricke?

Aufpassen sollten die Schüler, die nach dem Sommerjob eine Berufsausbildung beginnen. In ihrem Fall entfällt die Versicherungsfreiheit, die Schüler werden schon während ihrer Aushilfstätigkeit sozialversicherungspflichtig und müssen dies ihrem Arbeitgeber auch mitteilen. Wer das versäumt, riskiert Nachzahlungen.

Gibt es Verdienstgrenzen?

Voll- und minderjährige Ferienjobber dürfen so viel verdienen, wie sie wollen. Ihre Einkünfte spielen für das Kindergeld keine Rolle mehr. Wer aber eine Zweitausbildung oder ein Zweitstudium absolviert, darf nicht mehr als 20 Stunden pro Woche arbeiten, sonst erlischt der Anspruch auf Kindergeld für das gesamte Jahr.

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Ein Aufwand, den immer mehr Firmen scheuen. Sie nutzen nach einer Einschätzung der Vereinigung der sächsischen Wirtschaft flexible Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter oder Zeitarbeiter, um urlaubsbedingte Vakanzen abzufedern. Hinzu kommt, dass die Tätigkeiten in den Betrieben immer anspruchsvoller werden. Damit, so die Wirtschaftsvereinigung, verlängern sich die Einarbeitungszeiten. Auch die Sicherheit in Unternehmen ist ein wichtiger Aspekt. Nach Einschätzung des Landeskriminalamtes unterschätzen viele Firmen die Gefahr des Know-How-Transfers durch Praktikanten oder Aushilfen. Ein Sprecher des LKA rät, vor allem den Umgang mit sensiblen Daten zu überprüfen und eventuell zusätzliche Zugangssperren zu schaffen.

In der Statistik der Bundesagentur für Arbeit stehen derzeit vier Ferienjobangebote – für ganz Sachsen. Die Zahlen sind in den letzten zehn Jahren spürbar zurückgegangen, bestätigt Sprecher Frank Vollgold. Allerdings bezieht sich diese Aussage nur auf Angebote, die die Arbeitsagentur direkt vermittelt. Grundsätzlich gäbe es weitere Ferienjobangebote, Schüler und Firmen nutzen aber andere Plattformen im Internet, um zueinander zu finden. Auch Zeitarbeitsfirmen vermitteln Schüler in Helfertätigkeiten. „Wir beobachten zudem, dass die Schüler aktiver geworden sind und die Unternehmen direkt ansprechen. Sie nutzen persönliche Kontakte, um gute Angebote zu finden“, sagt Frank Vollgold. Erik beispielsweise hat von dem Ferienjob durch einen Freund seiner Eltern erfahren.

Die Firmen, die an den Ferienjob-Angeboten festhalten, haben ein klares Ziel. „Wir wollen mit den Ferienjobbern unseren Nachwuchs gewinnen“, erklärt Daniela Bähr. Ihre Firma bildet aus: Konstruktionsmechaniker und Metalltechniker kann man hier werden. Zwei Lehrlinge konnte man in Stolpen in den letzten Jahren durch Ferienjobs schon gewinnen. Bei Erik wird der Plan nicht aufgehen. Das weiß die Personalchefin. „Ich möchte nach dem Abitur zur Bundeswehr. Als Soldat am Boden“, hat der Schüler des Dresdner Vitzthum-Gymnasiums schon vor Praktikumsbeginn erklärt. Was er danach wo und wann studieren möchte, weiß er noch nicht.

In diesem Jahr werden insgesamt sechs Ferienjobber bei der G.S. Stolpen arbeiten. Sie sind alle sozialversichert und bekommen über die Firma den vollen Arbeitsschutz. Durch verschärfte Regeln ist die Dokumentation für die Firma auch bei Ferienjobbern mehr geworden. „Früher brauchte ich einen ausgefüllten Bogen je Ferienjobber, jetzt sind es drei Bögen“, sagt Daniela Bähr. Dass es auch weiterhin viele Helfertätigkeiten gibt, die in der Ferienzeit von Schülern übernommen werden, dafür spricht der Beratungsbedarf in der Minijobzentrale. Die Mitarbeiter dort helfen Firmen weiter, die sich vor der Einstellung eines Ferienjobbers über die Rechtsgrundlagen informieren möchten. „Die Telefone klingen seit Wochen im Minutentakt, da hat sich gegenüber den Vorjahren nichts verändert“, heißt es.

Grundsätzlich gilt: Wer in den Ferien sein Taschengeld aufbessern will, muss sich frühzeitig kümmern. Erik hat sich schon im April bei der G.S. Stolpen beworben. Seine Mutter kam dann mit, um den Vertrag zu unterschreiben.