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Schon als Kind hinterm Steuer

Die Görlitzerin Claudia Liske ist frisch gebackene Meisterin im Kfz-Handwerk – als eine von ganz wenigen Frauen.

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© Nikolai Schmidt

Von Daniela Pfeiffer

Görlitz. Da stand es schwarz auf weiß. Im Freundebuch eines Klassenkameraden unter dem Punkt „Was ich einmal werden möchte“: Nachfolgerin von meinem Vati. Das hat Claudia Liske in der 3. Klasse geschrieben. „Eigentlich dachte ich immer, dass ich Kindergärtnerin oder Lehrerin werden wollte“, sagt die 24-Jährige. Aber das Freundebuch, das der Mitschüler vor einiger Zeit zum Klassentreffen mitbrachte, sagte etwas anderes.

Und eigentlich war es irgendwie auch schon immer klar. Wer schon im zarten Alter von sechs Jahren hinterm Steuer saß und das nicht nur, um mal am Lenkrad zu drehen, der musste doch früher oder später mal in einem Autohaus landen. So war es auch bei Claudia Liske, die tatsächlich mit sechs Jahren schon Auto fahren konnte. Schon damals war sie recht groß und kam mit den Füßen an Gas, Kupplung und Bremse heran. Heute ist sie frisch gebackene Kfz-Meisterin und arbeitet im elterlichen Honda-Autohaus in Königshufen. Neben einer weiteren Kollegin ist sie das Gesicht, das Kunden als Erstes sehen, wenn sie das Autohaus betreten. „Ich nehme den Auftrag entgegen, bespreche mit dem Kunden, was zu tun ist und genauso ist es noch einmal bei der Abholung“, sagt Claudia Liske. „Dann erkläre ich genau, was alles gemacht wurde.“

Immer wieder gibt es – vor allem – Männer, die stutzig werden, meinen, sie sei „nur“ die Dame am Empfang. „Die wollen dann schon einen richtigen Meister sprechen“, erzählt Vater Frank Liske. Sie werden sich wohl daran gewöhnen müssen, dass seine Tochter der Meister ist. Und, dass sie ihr Handwerk versteht, werden sie dann schon merken. Denn die junge Frau hat dafür sogar studiert: Automobil-Management in Glauchau. Zwei Drittel Wirtschaft, ein Drittel Technik, so beschreibt sie es. Daran hängte sie noch eine spezielle Ausbildung zum Honda-Servicetechniker und auch die Ausbildereignungsprüfung bestand sie. Der Meister ist nun quasi das i-Tüpfelchen. Vater Frank ist mächtig stolz, zumal die Tochter bei ihrer Meisterprüfung noch fünf Jahre jünger ist, als ihr Vater bei seiner eigenen war. Zudem sei es heute keine Selbstverständlichkeit mehr, die Prüfungskommission zu überzeugen. Immer häufiger würden die Meisteranwärter mehrere Anläufe benötigen, um zu bestehen. Auch sein Wunsch war es immer gewesen, dass eins seiner Kinder das 1997 gegründete Autohaus einmal übernehmen würde. „Wir haben unsere Töchter aber nicht so erzogen, dass sie in unsere Fußstapfen treten müssen“, betont er, „sondern ihnen Unterstützung zugesichert, falls sie das wollen.“ Und sie wollen. Alle beide. Denn auch Claudia Liskes jüngere Schwester ist auf dem Weg, ein weiteres Mitglied im Familienbetrieb, zu dem auch Mutter Iva Liske gehört, zu werden. Sie studiert derzeit ebenfalls in Glauchau.

Auch Claudia Liskes Freund arbeitet im Autohaus, hinten in der Werkstatt. Neben den Autos haben die beiden eine zweite Leidenschaft: tanzen. Jeden Mittwoch sind Standard- und Lateintänze in der Tanzschule Matzke angesagt. Freizeit gibt’s schon auch und daheim dreht sich nicht alles ums Autohaus, wie man bei einem Familienbetrieb vermuten könnte. Zeitintensiv ist die Arbeit aber natürlich schon. Neben dem Autohaus haben Liskes mit ihrem Fahrsicherheitstraining ein zweites Standbein. Hier war Claudia Liske ebenfalls schon sehr früh involviert. Noch vor ihrer Führerscheinprüfung hat sie als Trainerin den Teilnehmern Tipps zum sicheren Verhalten im Straßenverkehr gegeben. Damit hatte sie sich schon in der Schule beschäftigt, auch eine Belegarbeit dazu verfasst. Mit 17 Jahren hatte sie den Führerschein endlich selbst und war schließlich jüngste Fahrsicherheitstrainerin.

Wo sie jetzt mit Mitte 20 steht, das ist schon ungewöhnlich – zumal als Frau. Unter 50  jungen Männern sei bei der jährlichen Gesellenfreisprechung im Schnitt ein Mädchen. „Das ist zumindest ein stabiler Trend“, sagt Elke Pullwitt, Geschäftsführerin der Kfz-Innung „Oberlausitz“ in Niesky. Was sie tut, um noch mehr Mädchen für diesen Beruf zu interessieren? „Für Mädchen speziell eigentlich nichts, aber wir werben auf der Insider Messe oder bei Tagen der offenen Tür generell für diesen Beruf.“ Denn nicht jedem ist schon in der 3. Klasse so klar, wohin es beruflich gehen soll, dass er es ins Freundebuch einträgt.