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Schock am Nachmittag

Nicht zum ersten Mal lässt ein Dieb vor Viola Ritzes Geschäft in Großpostwitz Kleidung mitgehen. Doch dieser Fall endet besonders schlimm.

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© Uwe Soeder

Von Madeleine Siegl-Mickisch

Der Schock steht Viola Ritze noch immer ins Gesicht geschrieben. Kein Wunder bei dem, was ihr gut 24 Stunden zuvor widerfahren ist. Bestohlen wurde die Inhaberin des Textilgeschäfts B 96-viotex an der Großpostwitzer Hauptstraße zwar nicht zum ersten Mal. Aber was sich diesmal abspielte, das hätte sich die 49-Jährige in ihren schlechtesten Träumen nicht vorstellen können.

Am Montagnachmittag war gerade ein Handelsvertreter bei ihr im Laden, als sie sah, wie ein junger Mann einen Schwung Herren-Shirts von einem Kleiderständer vor dem Ladeneingang schnappte und auf der Bahnhofstraße davonrannte. Laut rufend, dass er stehen bleiben soll, stürmte sie hinterher. Sie lief bis zum Kinderhaus an der Spreetalstraße, doch der Täter war verschwunden. Eine ältere Dame hatte ihr auf der Bahnhofstraße zugerufen, dass sie den Mann mit einem grünen Pkw gesehen hatte. Also hielt Viola Ritze nach solch einem Auto Ausschau, und tatsächlich kam plötzlich ein grüner Nissan Micra am Kinderhaus um die Kurve. Viola Ritze stellte sich ihm kurzerhand in den Weg.

Wie im Krimi

Was dann passierte, könnte als Drehbuch für einen Krimi herhalten. Denn der Fahrer hielt nicht an, Viola Ritze landete mit dem Oberkörper auf der Motorhaube. Auf der Suche nach Halt klammerte sie sich an einen Scheibenwischer, der riss ab, und sie rollte seitlich herunter. Blutend humpelte sie schließlich zurück in ihr Geschäft. Da war der Nissan mit tschechischem Kennzeichen schon in Richtung Bahnhof verschwunden.

Bundespolizisten, die zufällig auf der B 96 vorbei kamen und sich auf die Suche machten, konnten ihn nicht mehr auffinden. Später suchten Polizeibeamte auch mit Unterstützung durch den Zoll und die tschechische Polizei – erfolglos. Nun ermittelt die Kripo. Sie bittet Zeugen um Hinweise. Vor allem der junge Radfahrer sollte sich melden, der den Ladendieb ebenfalls verfolgt hatte. Mit seinem Fahrrad stellte er sich noch vor Viola Ritze dem Auto in den Weg. Doch der Fahrer wich aus und fuhr dabei über eine Grünfläche. Das erzählte der junge Mann, der eine gefleckte Tarnhose und Oberbekleidung mit vielen Taschen trug, der Ladeninhaberin noch, bevor er seinen Weg fortsetzte.

Schockierende Erkenntnis

Viola Ritze wurde später im Krankenhaus verarztet. Zum Glück hat sie keine schweren Verletzungen davongetragen. So stand sie am nächsten Tag mit verbundener Hand schon wieder in ihrem Geschäft. Viel schlimmer als die Schürfwunden ist die schockierende Erkenntnis, dass der Dieb es in Kauf genommen hat, sie ernsthaft zu verletzen. „Und das wegen fünf, sechs Pullis.“ Wie gefährlich die Sache war, das wird ihr erst im Nachhinein bewusst. Aber sie sei so wütend gewesen, dass der Mann sich „vier Meter von mir entfernt die Sachen greift“. Zuvor war er noch im Laden, hatte sich bei ihr nach Kinderjacken erkundigt. „Die waren ihm aber zu teuer.“

Gefühl der Ohnmacht

Viola Ritze fühlt sich ohnmächtig. Denn es ist nicht das erste Mal, dass ein Langfinger gleich mehrere Sachen mitgehen lässt. In den ersten Jahren habe es solche Probleme nie gegeben, doch nun komme es immer öfter vor. Einmal verschwanden Herrenjacken von einem Kleiderständer im Eingangsbereich, ein paar Monate zuvor hatten Unbekannte nachts eine Scheibe eingeschlagen und eine Schaufensterpuppe samt Kleidung mitgenommen. Zuletzt hatte sich ein Dieb im März ein Dutzend Damenjacken gegriffen. Die konnte sich Viola Ritze wenig später bei der Polizei in Sluknov abholen. Denn während die anderen Fälle nicht aufgeklärt werden konnten, gab eine aufmerksame Kundin in dieser Sache den entscheidenden Hinweis. Sie hatte sich das tschechische Kennzeichen des Fluchtautos gemerkt. So wurde eine grenzüberschreitende Fahndung eingeleitet und das Fahrzeug noch am selben Tag in Tschechien gefunden. Die Ware lag noch im Auto. Auch diesmal hofft Viola Ritze, dass sich Zeugen melden und vielleicht einen hilfreichen Hinweis geben können.

Zeugenhinweise nehmen das Polizeirevier in Bautzen, Telefon 03591 3560, oder jede andere Dienststelle entgegen.