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Schnelleres Internet in Görlitz

Stadtwerke Görlitz machen jetzt den Telekom-Riesen Konkurrenz. In einigen Stadtteilen liegen ihre Leitungen schon.

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© Marek Kruszewski

Von Ralph Schermann

Görlitz. Das schnelle Internet bekommt einen neuen Anbieter. Künftig werden die Görlitzer Stadtwerke nicht nur Strom, Gas, Wasser, Abwasser, Fernwärme liefern, sondern auch einen Breitband-Anschluss. Daran schuld ist die Energiewende.

Denn durch den Umbau des Energiesystems müssen Energieversorger ihre Stromnetze stärker automatisieren. Die Energiewende verlangt mehr Strom aus erneuerbaren Energien. Man sieht die Auswirkungen: Photovoltaik-Anlagen und Windräder. Deren Steuerung braucht Strom- und Datennetze. Weil der Kunde Energie nicht mehr nur bezieht, sondern sie selbst mit produziert, entsteht das Internet-Angebot fast von selbst. „Wenn wir bei Solar & Co. als Dienstleister einspeisen, speichern, vermarkten, brauchen wir dafür Datenleitungen“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Stadtwerke Görlitz (SWG), Matthias Block. Mehr noch: Die angestrebte Dezentralisierung mit Blockheizkraftwerken in verschiedenen Stadtquartieren benötigt ebenfalls eine zentrale Steuerung. Des Weiteren sind digitale Übermittlungen von allen Stromzählern der Haushalte die Zukunft. Das bestehende Netz interner Kupferleitungen wird deshalb schon seit Jahren schrittweise zum Glasfasernetz ausgebaut. „Marktfit 2012“ hieß das damals vorausschauend entwickelte SWG-Konzept. Überall, wo die Stadtwerke eigene Leitungen bauten oder sanierten, wurde der teure Tiefbau gleich genutzt, entweder Glasfaserkabel oder Leerrohre mitzuverlegen. „Diese Situation versetzt uns in die Lage, auch andere an diesem Netz teilhaben zu lassen“, sagt Matthias Block, anders gesagt: einen Teil der Netzkapazität zu verpachten.

Garantierte Höchstgeschwindigkeiten

Zunächst als Test vorgesehen, beginnt das neue Internet-Angebot jetzt unter dem Produktnamen „Digital direkt“. Es bietet, je nach monatlichem Pauschalpreis gestaffelt und zuzüglich der Hausanschlusskosten, garantierte Höchstgeschwindigkeiten im Netz, Downloadmengen von 16, 30, 50 und 100 Megabit je Sekunde. Das bedeutet zum Beispiel Videokonferenzen in Echtzeit. Schwankungen sollen ausgeschlossen, die vereinbarte Geschwindigkeit stabil sein, heißt es. „Wir wollen damit vor allem Gewerbetreibenden helfen, optimale Rahmenbedingungen im Wettbewerb zu finden“, erklärt René Hubatsch. Der Projektverantwortliche gehört zum Technischen Service der SWG, schränkt allerdings ein: „Noch ist das Angebot nicht an jeder Stelle der Stadt möglich, denn es ist erst der Anfang.“ Vor allem in großen Teilen Königshufens, der Innen- und Südstadt sind die Voraussetzungen bereits sehr gut. Für die Stadtwerke ist das auch ein Strategiewechsel, übernehmen sie doch in der Breitbandversorgung nun auch Provideraufgaben. Unabhängig davon können Dritte aber auch die Stadtwerke-Netze für eine Anbindung eigener Überwachungs-, Fernwartungs- oder Steuertechnik mieten.

Ab dem 6. Dezember schalten sie einen besonderen Link, über den jeder bei Interesse sofort seine Adresse auf die Verfügbarkeit des neuen Angebotes prüfen kann. „Da das Netz ständig erweitert wird, übrigens allein von den Stadtwerken ohne jede Fördermittel, kann man dort dann auch immer wieder mal nachsehen“, rät Stadtwerker René Hubatsch.

Es ist ein weiterer Schritt zum individuellen Kunden, überlegt SWG-Chef Matthias Block. Natürlich will er von Telekom bis Kabel Deutschland nicht als unerwünschter Konkurrent angesehen werden, im Gegenteil. Auch diese Anbieter nutzen teilweise bereits Stadtwerke-Verbindungen. Die Zukunft sieht Block eher in Paketlösungen: Warum sollte, wer Solarstrom einspeist, Gas bezieht oder Wasser kauft, nicht auch Internet vom gleichen Anbieter nutzen? Ein Ansprechpartner für alle Medien werde immer wichtiger, erst recht, wenn die Zukunft ohnehin „Smart home“ heißt, womit die noch bevorstehende intelligente Vernetzung gemeint ist. Über Glasfaser anliegendes Breitband könnte durchaus dereinst vom Büro aus die Heizung zu Hause steuern oder den Kühlschrank einen Defekt automatisch weitermelden lassen. Matthias Block weiß, dass das neue „Digital direkt“ längst nicht die letzte Neuerung der Stadtwerke sein wird. „Immer neue Geschäftsfelder kommen dazu, wir müssen uns nur rechtzeitig darauf einstellen - für die Kunden, aber natürlich auch für uns.“

Tatsächlich ist es den Görlitzer Stadtwerken trotz mancher Branchenwechsel bisher gelungen, keinen der 350 Mitarbeiter verlieren zu müssen. „Dafür ist eine Erweiterung unserer Produktpalette notwendig. Das Breitband ist dabei“, sagt Matthias Block. Heraus kommt dabei neben der Reaktion auf das moderne Zeitgeschehen auch noch mehr, nämlich ein „weiterer Schritt auf unserem Weg vom Versorger zum Dienstleister“, ist Block überzeugt.