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Schneller Abriss am Kohlebahnhof

An der Freiberger Straße macht ein Bahngebäude Platz für einen Schulstandort. Rettungsversuche kommen zu spät.

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© René Meinig

Von Nora Domschke

Plötzlich war es weg – das alte Haus auf dem Areal an der Ecke Freiberger Straße/Bauhofstraße. Vor einigen Tagen rückte der Abrissbagger an, mittlerweile ist von der ehemaligen Fahrkartendruckerei nur noch ein großer Schutthaufen übrig. Auf dem Grundstück des einstigen Kohlebahnhofs soll neben Schulgebäuden ein Wohnkomplex mit 35 000 Quadratmetern Fläche entstehen. Wann die Arbeiten an dem Bauprojekt starten, steht derzeit noch nicht fest. Das teilt Torsten Wollenberg vom Investor Aurelis Real Estate mit.

Das Unternehmen hatte diese und weitere Flächen bereits 2003 von der Deutschen Bahn gekauft, die damals mehrere ihrer ungenutzten Brachen zu Geld machte. Seit 2009 ist der Investor mit der Stadtverwaltung im Gespräch, wie die Fläche entwickelt werden soll. „Zunächst war dort ein reines Gewerbegebiet geplant“, erklärt Wollenberg. Was damals nicht in dieser Dimension absehbar war: In Dresden wird derzeit vor allem Wohnraum benötigt. Deshalb soll auf dem Grundstück nun außerdem der Wohnkomplex entstehen.

Abhängig davon, wann der Ausschuss für Bau und Stadtentwicklung grünes Licht für den Bebauungsplan gibt, sollen die Planungen weitergehen, so Wollenberg. Fest steht, dass rund 75 Prozent der Fläche für Wohnungen, der Rest für Gewerbe genutzt werden soll. Für den Schulstandort plante die Stadtverwaltung zunächst die Gründung eines Gymnasiums. Das soll nun aber in Gorbitz entstehen. Der zentrale Standort an der Freiberger Straße ist mittlerweile für die 150. Oberschule vorgesehen, die im Schuljahr 2018/19 in Kleinpestitz gegründet werden soll. Im Sommer 2022 ist dann der Umzug in den Neubau an der Freiberger Straße geplant. So steht es zumindest im Entwurf des neuen Schulnetzplans. Entschieden ist das allerdings noch nicht.

Geprüft wird derzeit ebenfalls, wie die Fröbel- und die Floßhofstraße nördlich des Weißeritzgrünzugs mit Schulstandort und Wohngebiet verbunden werden könnten. Der Spielplatz am Grünzug soll davon allerdings in jedem Fall unberührt bleiben. Die konkreten Pläne für das gesamte Areal sollen 2017 in einer Infoveranstaltung öffentlich vorgestellt werden.

Für Kritik sorgte in den vergangenen Tagen der schnelle Abriss des ehemaligen Druckereigebäudes. Denn es gab durchaus Bemühungen, das Haus zu erhalten. So hatte der Bauausschuss noch am 9. November beschlossen, dass die Stadtverwaltung prüfen soll, welche denkmalschutzrechtliche Bedeutung die alte Fahrkartendruckerei am Kohlebahnhof für Dresden hat und welche Erhaltungsmöglichkeiten es für das Haus gibt. Am 17. November unterschrieb Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) als Vorsitzender des Bauausschusses die Beschlussausfertigung.

Der Rettungsversuch kam allerdings zu spät. Nur zehn Tage später rollte der Abrissbagger auf dem Areal an der Freiberger Straße an. Auf SZ-Nachfrage teilt das Bauaufsichtsamt lediglich mit, dass das Haus kein Denkmal war und zur Gebäudeklasse drei gehört, also freistehend ist. Nach Paragraf 61 der Sächsischen Bauordnung bestehe keine Anzeigenpflicht. Zudem sei nicht bekannt, wer den Abbruch veranlasst beziehungsweise durchgeführt hat.

Die Mitglieder der Bürgerinitiative Stadtbild ärgern sich über die schnelle Aktion, bei der erneut ein Stück Dresdner Industriegeschichte unbemerkt von der Öffentlichkeit verschwunden ist. „Man könnte fast annehmen, dass man sich im Zugzwang sah, eigene Interessen mit einem Abriss zu manifestieren“, heißt es in einem Schreiben an die SZ.

Kurz zuvor hatte die Gruppe noch Vorschläge für die Erhaltung und Nutzung des Gebäudes gemacht. So wäre es aus Sicht der Initiative eine Option gewesen, den Industriebau in den Schulstandort einzubeziehen, etwa als Kopfbau mit Sekretariat, Lehrerzimmer, Mehrzweckräumen. Dadurch hätte die Fahrkartendruckerei als industrielles Denkmal erhalten werden können, das symbolisch für den einst bedeutsamen Bahnstandort gestanden hätte.