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Schneeschuhfahrer an der Leine

Skijöring war einst in Oybin Zuschauermagnet. Heute scheint dieser Wintersport ausgestorben. Ist das wirklich so?

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© Chronik Oybin

Von Bernd Dressler

Beim bisherigen Bilderbuchwinter kamen in unseren Gefilden etliche Wintersportarten nicht zu kurz: Rodeln, Skilaufen und da und dort auch Skijöring. Der Begriff kommt aus Skandinavien. Ein Skifahrer wird an einem Seil von einem Fahrzeug oder Tier gezogen. Am Rodelhang an der Kottmarsdorfer Mühle nutzten im Januar viele Skiläufer das Angebot des Autocrossteams Heinrich, sich hinter einem Motorschlitten an die Leine zu hängen.

Pferd zieht Skifahrer: Dieses seltene Spektakel war am ersten Februar-Wochenende 2006 am Kurhaus Lückendorf zu erleben, als im Jubiläumsjahr „750 Jahre Oybin“ der Oybiner Skiverein an die Skijöring-Traditionen im Zittauer Gebirge erinnerte.
Pferd zieht Skifahrer: Dieses seltene Spektakel war am ersten Februar-Wochenende 2006 am Kurhaus Lückendorf zu erleben, als im Jubiläumsjahr „750 Jahre Oybin“ der Oybiner Skiverein an die Skijöring-Traditionen im Zittauer Gebirge erinnerte. © SZ-Archivfoto: Jens Böhme

Ist das Kottmarsdorfer Skijöring mehr ein Gaudi für Abfahrtsläufer, die nicht aus eigener Kraft den Hang hinauf kraxeln wollten, gilt das klassische Skijöring in der Oberlausitz, insbesondere im Zittauer Gebirge, als ein ernsthaft betriebener Wettkampfsport. Nur wissen das heute nicht mehr viele, weil diese zig Zuschauer anlockenden Veranstaltungen vor allem in den 1930er und 1950er Jahren ausgetragen wurden.

Laut einer vom Motorsportjournalisten Jürgen Kießlich auf der Internetseite des MSC Oberlausitzer Dreiländereck veröffentlichten Chronik, fand in Oybin am 1. Februar 1933 das 1. Motor-Skijöring statt. Sogenannte Anhänger, also die Skifahrer, wurden von Motorrädern mit erfahrenen Piloten gezogen. Zwei Runden zu je 1 450 Meter waren zu absolvieren. Das Motorrad der Marke „Blackburne“, gesteuert von dem Rennfahrer Gerhard Semmt, brauchte dafür 4:32,4 Minuten bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 49,2 km/h.

„Ein richtiger Rennmotor muss knattern, dass den Zuschauern gleich am Rennbeginn ein gelindes Gruseln den Buckel hinunterläuft“, beschrieb die „Zittauer Morgen-Zeitung“ die Atmosphäre beim Skijöring des Jahres 1936. Was sollten da erst die „Anhänger“ sagen? Doch bei ihnen paarten sich sportliche Fitness mit Mut und Abgeklärtheit „Der Skianhänger ging kurz in die Kniebeuge, fing den schroffen Anzug der Maschine mit federnden Armgelenken ab, und schon waren beide davon“, schilderte das Lokalblatt den Start.

Dennoch konnte es vorkommen, dass Läufer noch in der Zielkurve stürzten und durch das Ziel flogen oder durch Fliehkräfte aus der Rennbahn getragen wurden – zum Glück unverletzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als wiederum in Oybin, aber auch in Weifa Rennen gefahren wurden, soll man sogar auf Spitzengeschwindigkeiten von 80 km/h gekommen sein. Es konnte auch vorkommen, dass sich Motorrad und Skifahrer erst am Start kennenlernten, also noch nie zusammen gefahren waren. Wer hätte da geglaubt, dass 1936 so ein Zufallspaar (der Anhänger hieß May und kam aus Löbau) sogar eine Tagesbestzeit schaffte?

Die Kießlich-Chronik endet 1960. Dann passierte in Sachen Skijöring offenbar nicht viel. Bis 2006, als das Jubiläumsjahr „750 Jahre Oybin“ begangen wurde. Im Februar lud der Oybiner Skiverein auf die Wiese am alten Kurhaus Lückendorf zum Skijöring ein. Hier waren nicht Kräder die Zugfahrzeuge, sondern Motorschlitten. Demonstriert wurde auch Skijöring mit einem PS, mit Pferden. Dieser Klassiker wird bis heute besonders in der Schweiz gepflegt.

1928 bei den Olympischen Winterspielen von St. Moritz war das ein Demonstrationswettbewerb. Doch Pferde oder Motorschlitten besitzt nicht jeder. Dann sieht es schlecht aus mit Skijöring. „Soll ich wirklich darauf verzichten?“, muss sich Siegfried Hänsch aus Hain vor rund zehn Jahren gefragt haben. Er holte zwei seiner Schafe aus ihrem Winterquartier und ließ sich von ihnen durch den Winterwald ziehen. „Die schnellsten sind sie nicht und manchmal auch ein bissel eigenwillig, wenn es um die Fahrtrichtung geht, aber es macht durchaus Spaß“, gestand er damals dem unlängst verstorbenen langjährigen SZ-Redakteur Jürgen Zacharias.

Und wie sieht es aktuell aus? Im Februar 2016 war eine Wiederbelebung des Skijöring im Zittauer Gebirge geplant. Der MSC Oberlausitzer Dreiländereck und der Alpine Skiverein Lausche hatten am Trixipark in Großschönau alles vorbereitet. Was fehlte, war der Schnee. Damit standen die Organisatoren vor dem Dilemma, mit dem die Veranstalter der Oybiner Wettbewerbe in den 1930er und 1950er Jahren mitunter zu kämpfen hatten: Ausfall ohne Ersatz.

Die beiden Vereine hofften auf 2017. Doch bisher war von einem Skijöring in Großschönau nichts zu hören. Thomas Kaufmann vom Marketing des Trixiparkes klärte SZ gegenüber auf: „Wir setzen dieses Jahr auf andere Wintersportaktivitäten, so auf den Skibetrieb an der Lausche oder das Eisbaden bei uns. Skijöring ist in unserer Planung nach hinten gerutscht.“ Was wohl heißt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.