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Schnecken auf Abwegen

Oppacher Frauen wandern regelmäßig gemeinsam, diesmal aber in besonderem Aufzug.

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© Rafael Sampedro

Von Romy Kühr

Oppach. Da haben die Oppacher Frauen Glück gehabt. Als sie diese Woche am Busbahnhof in Oppach eintrafen, um von dort gemeinsam zu starten, schien die Sonne. „Bei Regen wäre die Tour sicher beschwerlicher geworden“, sagt Kerstin Worofka von der Wandergruppe Oppacher Bielebohschnecken. Das liegt an der Kleidung der Frauen. Denn für ihre Tageswanderung haben sie diesmal auf Trekkinghosen und Regenjacken verzichtet. Sie haben sich in lange Kleider und Röcke gehüllt, so wie sie Frauen vor 100 Jahren im Alltag getragen haben. Und so ein vollgesogener Rocksaum wäre sicher nicht die ideale Wanderbekleidung der heutigen Zeit. Der ungewöhnliche Aufzug hat seinen Grund: Die Frauen um Kerstin Worofka wanderten eine Tour nach, die Oppacherinnen im Jahr 1921 unternommen haben. „Schon damals gab es eine Frauenwandergruppe im Ort, so wie uns heute“, sagt Frau Worofka.

Seit 1920 unterwegs

Sie hatte sich 1920 gegründet und ein Jahr später erstmals eine zweitägige Wanderung in die Sächsische Schweiz unternommen – ganz ohne Männer. Das war damals äußerst emanzipiert. Denn, dass Frauen etwas ohne Männer unternahmen, schickte sich zu der Zeit überhaupt nicht. Den Frauen wurde nachgesagt, sie würden „herumziehen“. Die Damen ließen sich aber nicht beirren. Als Erinnerung an die tapferen Oppacherinnen von damals wollten die „Bielebohschnecken“ nun 95 Jahre später die historische Wanderung nachstellen. Und dazu gehört selbstverständlich die passende Kleidung. So durfte selbst das leinene, spitzengesäumte Unterkleid nicht fehlen. „Wir wollen so stilecht wie möglich sein“, sagt Kerstin Worofka. Die historische Kleidung haben die Frauen aus alten Familienschätzen zusammengesammelt, selbst genäht und sogar einige Stücke am Bautzener Theater ausgeliehen. Einiges haben die Oppacherinnen dennoch anders gemacht, als ihre Vorgängerinnen. „Wir haben die Tour etwas verkürzt“, sagt Kerstin Worofka. „Die Damen waren das Laufen damals mehr gewohnt, als wir. Sie haben eine längere Strecke geschafft.“ Dank Nachforschungen des Freundeskreises Heimatgeschichte ist die Strecke von damals weitestgehend nachvollziehbar. Die Geschichtsfreunde brachten die Wanderfrauen erst auf die Idee mit der historischen Tour, als sie über frühere Vereine des Ortes forschten und auf die Frauenwandergruppe stießen. So starteten die Oppacherinnen jetzt mit dem Zug von Schluckenau nach Porschdorf und wanderten von dort ins Polenztal und bis nach Rathen. Die Sächsische Schweiz ist meist auch das Ziel, wenn sich die Bielebohschnecken einmal im Monat zu einer gemeinsamen Tour treffen. Da geht es recht anspruchsvoll zu, denn alle sind begeisterte Wanderer. Dabei wird die älteste Bielebohschnecke immerhin bald 80. Entstanden ist die Oppacher Truppe auf Initiative von Kerstin Worofka. Die 51-Jährige ging schon länger regelmäßig mit ihrer Nachbarin wandern. Die beiden Frauen wollten ihre Wandergruppe erweitern und riefen auf, mitzuwandern. So sind mittlerweile zwölf Frauen zusammengekommen, die sich regelmäßig zu Touren in der Natur treffen. Die nächste Wanderung findet im August statt. Auch andere Frauen sind willkommen, mitzulaufen.