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Schmallippig auf der Anklagebank

Der Ex-Chef der Dresden Factoring AG muss sich seit gestern vor dem Landgericht verantworten. Unter anderem wegen Betrugs.

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© momentphoto.de/bonss

Von Maren Soehring

Bis vor wenigen Jahren inszenierte sich Klaus Sauer gern als Pionier des sogenannten Factoring Geschäftes: 1999 hatte er die Dresden Factoring AG (DFAG), spezialisiert auf Kunden aus dem Mittelstand, gegründet und in den Folgejahren zügig aufgebaut. Anfang 2006 brachte er das Unternehmen als erstes in Ostdeutschland an die Börse. Das Geschäftsmodell des Factoring ist vom Grundsatz her einfach und durchaus erträglich: Die DFAG kauft Außenstände von Unternehmen auf, treibt diese später ein und kassiert rund drei Prozent der Forderungssumme als Gebühr. Im Detail ist das Factoring aber eine äußerst komplizierte Angelegenheit mit etlichen Risiken: Werden Kunden insolvent, springen in der Regel Versicherungen ein, werden aber fiktive oder nicht realisierbare Forderungen aufgekauft, bleibt das Factoring-Unternehmen auf den Schulden der Kunden sitzen – und muss diese auch korrekt verbuchen.

Doch genau das soll Klaus Sauer, unter Mithilfe des ehemaligen Leiters des IT-Controllings Erhard E., versäumt haben. Beide Männer müssen sich seit gestern vor der Großen Wirtschaftskammer des Dresdner Landgerichts verantworten: Sie sollen, so die Anklage, die Bilanzen der DFAG in den Jahren 2003, 2004 und 2005 geschönt und jeweils Fehlbeträge von rund 1,5 Millionen Euro verschwiegen haben. Diese manipulierten Bilanzen waren später auch Grundlage des Börsenganges im Frühjahr 2006: Dort wurde in dem Wertpapierprospekt der DFAG für das Jahr 2005 ein Unternehmensgewinn vor Zinsen und Steuern von rund einer Million Euro angegeben. Die Aktien wurden am 25. April zu einem Platzierungspreis von 11,50 Euro verkauft und verloren dann, nachdem erste Gerüchte über Unregelmäßigkeiten kursierten, massiv an Wert.

Insgesamt 13 institutionelle Großanleger bezifferten den Verlust pro Aktie auf 5,50 Euro – insgesamt geht es um einen Schaden von knapp 3,2 Millionen. Darüber hinaus soll Sauer sich Ende des Jahres 2006 am Aufsichtsrat vorbei einen Privatkredit über 250.000 Euro gewährt und damit seine Eine-Million-Villa saniert haben. Dafür hatte der studierte Rechtsanwalt, so der Vorwurf, einen fingierten Kreditvertrag aufgesetzt, Blankokopien der Originalschecks gefertigt und diese mit den Daten der angeblichen Kreditnehmerin versehen in die Buchhaltung gegeben.

Kreative Buchführung

Gleich nach Anklageverlesung hatten sich die Prozessparteien in einem Rechtsgespräch auf einen möglichen Strafrahmen geeinigt: Demnach kann Klaus Sauer mit einer Bewährungsstrafe von maximal zwei Jahren sowie einer Geldstrafe zwischen 350 und 400 Tagessätzen rechnen. Als Bewährungsauflage stellte die Kammer zudem eine Zahlung von 60.000 bis maximal 80.000 Euro in Aussicht. Für den mitangeklagten Ehrhard E. hält sie eine Strafe zwischen zehn und zwölf Monaten sowie eine Zahlung von 15.000 Euro oder 500 gemeinnützige Arbeitsstunden für angemessen. Voraussetzung für solche juristischen „Deals“ ist ein umfassendes Geständnis der Angeklagten. Ein Grund für das relativ milde Angebot des Gerichtes sei die lange Zeitspanne, die bis zum Prozessbeginn verstrichen sei, so der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats. Gleichzeitig machte er deutlich, dass sich die Kammer nicht mit einem formalen Abnicken der Anklageschrift zufriedengeben werde. Doch Klaus Sauer tat sich schwer, diesen Erwartungen gerecht zu werden. Zwar räumte er alle Vorwürfe grundsätzlich ein. Er habe, so Sauer, von allen größeren Fehlbeträgen gewusst und persönlich verfügt, dass diese in den Bilanzen nicht auftauchen, ob das aber per E-Mail oder per mündlicher Anweisung erfolgt war, konnte er, rund zehn Jahre nach dem Geschehen, nicht erinnern. Ebenso nebulös bleibt sein Verhältnis zu seinem ehemaligen IT-Chef E.. Auch die konkreten Buchungsvorgänge waren Sauer nicht mehr präsent: In den Gerichtsakten werden diverse Varianten „kreativer Buchhaltung“ beschrieben, so wurden etwa nicht realisierbare Forderungen eines Kunden auf das Konto eines anderen verbucht. Erst als seine Abberufung als DFAG-Vorstand im Februar 2007 thematisiert wurde, wurde Sauer, der inzwischen wieder als Rechtsanwalt arbeitet, emotional: Er habe die Firma als sein Lebenswerk angesehen und überhaupt nicht verstanden, warum man ihn da rausschmeiße, so der 56-Jährige.

Das selbst gewährte Darlehen hat Sauer nach seinem Ausscheiden als Vorstand zurückbezahlt. Die Aufarbeitung der anderen Vorwürfe wird wohl noch einige Prozesstage in Anspruch nehmen: Richter Schlüter-Staats bezeichnete die Äußerungen des Angeklagten gestern als äußert „schmallippig“ und wird trotz des geschlossenen „Deals“ nicht auf weitere Zeugen verzichten.