Merken

Schluss nach 55 Jahren

Klaus Riedel ist 2016 zum letzten Mal am Lückendorfer Berg gestartet. Der 74-Jährige fährt keine Rennen mehr. Ganz vom Motorsport kann er aber nicht lassen.

Teilen
Folgen
© privat

Von Reiner Seifert

Lückendorf/Dürrhennersdorf. Was für Klaus Riedel am 13. August 1961 auf einer MZ BK 350 am Lückendorfer Berg begann, ging für den Dürrhennersdorfer fast auf den Tag genau nach 55 Jahren an gleicher Stelle zu Ende. Zum letzten Mal raste der inzwischen 74-Jährige mit seinem BMW Seitenwagengespann die älteste und einzige noch lizensierte deutsche Bergrennstrecke hinauf. „Heute und hier scheint mir der richtige Zeitpunkt und Ort, mich vom aktiven Rennsport zu verabschieden. Nicht aber vom Motorsport, dazu habe ich einfach noch zu viel Benzin im Blut“, erklärte Riedel nach dem Rennen. Um wehmütige Gefühle gar nicht erst aufkommen zu lassen, ergänzte er: „Natürlich bleibe ich 2. Vorsitzender des MC Robur Zittau, organisiere auch zukünftig den Internationalen Deutschen Bergpreis für Motoradgespanne und kehre im nächsten Jahr als Teamchef mit einem neuen Gespann, zwei Fahrern und Beifahrern an die Rennstrecken zurück.“

Schon als Kind faszinierten Klaus Riedel Motorräder. Als 15-jähriger Schmiedelehrling kaufte er für 50 DM eine in alle Einzelteile zerlegte Zündapp, die er im Handwagen nach Hause transportierte und im Laufe eines Jahres wieder zusammenbaute. „Auf abgelegenen Feldwegen unternahm ich mit Freunden die ersten Fahrversuche. Jeder musste zwei Liter Benzin mitbringen, wovon einer in meinen Privatkanister abgefüllt wurde“, erzählt Riedel mit einem verschmitzten Lächeln.

Gelandet in der Bockwurstbude

Mit dem Eintritt in den Motorsportclub Robur Zittau bestritt er 1961 am Lückendorfer Berg sein erstes Rennen. Den ersten Unfall erlitt er ein Jahr später ebenfalls am Lückendorfer Berg. In der Haarnadelkurve viel zu schnell unterwegs, raste er in die dort aufgebaute Bockwurstbude. „Zum Glück waren die Würste noch nicht angeliefert und auch keine Verkäuferin vor Ort, so dass nur ich ins Krankenhaus eingeliefert werden musste“, erinnert sich Riedel noch heute schmerzhaft. Kaum aus dem Krankenhaus entlassen, bestritt er wieder Rennen in Mittweida, Roßwein und auf dem Autobahnring Bautzen. Neben dem Motorradrennsport standen die Ausbildung zum Schmiedemeister, der Besuch der Fachschule für Landmaschinentechnik und mit einer Schmiede in Dürrhennersdorf der Einstieg in die Selbständigkeit im Vordergrund.

Klaus Riedel wechselte 1971 zum Motorsportclub Löbau und führte als Kapitän die Motoballmannschaft des Vereins in die erste DDR-Liga und auf den fünften Platz der DDR-Meisterschaft. Nach Motorradrennsport und Motoball zog es den umtriebigen Schmiedemeister zum Autocross. So gehörte er 1977 zu den Gründungsmitgliedern des MC Mittellausitzer Bergland (seit 1991 MC Oberlausitzer Bergland) und startete mit selbst aufgebauten Rennwagen bei zahlreichen Autocrossrennen sowie bei der 1981 neu eingeführten Mannschaftsmeisterschaft. 1984 erhielt er die Berufung in den DDR-Nationalkader und mit einer internationalen Rennlizenz die Möglichkeit, am Pokal der Freundschaft (sozialistische Länder) sowie an Europameisterschafts-Läufen teilzunehmen. Mitte der 1980er Jahre dominierten Klaus Riedel und der Berliner Peter Mücke die Autocrossszene in der Klasse bis 1 600 ccm. Der Oberlausitzer gewann 1986 im Eigenbau Lada 1,6i den DDR Meister- und anschließend dreimal in Folge den Vizetitel.

Riedel erhielt neben Peter Mücke als einziger DDR-Fahrer die Starterlaubnis für die mit elf Rennen in elf Ländern ausgeschriebene EM 1988 in der Spezialcrossklasse (Division 3). Im Eigenbau Porsche 2,6 erreichte er ein Jahr später beim deutschen EM-Lauf in Mölln mit Platz sieben seine beste Platzierung und landete in der Gesamtwertung unter 80 Startern auf dem 25. Rang. Bei den internationalen deutschen Meisterschaften 1991 in Weigsdorf-Köblitz bestritt er sein letztes Aurocrossrennen. „Bis zur zehnten von zwölf Runden lag ich in Führung, fiel nach einem technischen Defekt zurück und rettete mich noch als Siebenter ins Ziel“, erinnert sich Riedel.

Sechs Patente angemeldet

Nach der Wende konzentrierte sich der Dürrhennersdorfer vor allem auf sein Unternehmen, die erste sächsische Stahlzargen- und Sonderstahlzargenfabrik (Klaus Riedel GmbH). Er meldete unter anderen sechs Patente an und nahm nur noch sporadisch an Motorsportveranstaltungen teil. Ab 2005 stieg er wieder voll in den Motorsport ein. „Ich kaufte eine BMW R50 Rennmaschine, brachte den dazugehörigen Seitenwagen wieder in seine ursprüngliche Form und startete bei Gleichmäßigkeits-fahrten“, erzählt Riedel. Mit seinen Beifahrern Rainer Haase, Dr. Andreas Liebscher und seit 2010 mit Dirk Lüttke belegte er Medaillenplätze im ADMV-Classic-Cup, wurde Sachsenmeister, startete bei Gleichmäßig- und Geschwindigkeitsrennen in Italien, Luxemburg, Österreich und der Schweiz.

2014 erfüllte sich Klaus Riedel mit der Organisation des „Internationalen Deutschen Bergpreises“ einen Traum. Nach 44 Jahren fand auf der traditonsreichen, knapp vier Kilometer langen Rennstrecke zwischen Eichgraben und Lückendorfer Forsthaus wieder ein „echtes“ Bergrennen statt, wo der Schnellste auch Erster wurde. Der Gewinn des deutschen Bergpreises 2015 und der Start bei der PreTT Classic Isle of Man 2016, dem wohl gefährlichsten Motorradrennen der Welt, bildeten den Abschluss der 55-jährigen Motorsportkarriere des Altmeisters aus der Oberlausitz. .

Mit einem erst vor Kurzem in England gekauften Windle-Yamaha-Gespann (4-Zylinder-Viertaktmotor) startet das Team Riedel mit den Fahrern Armin Pfalz (Lauba) und Andre Hummel (Cottbus), den Beifahrern Matthias Ansorge (Cunewalde) und Dirk Lüttke (Großpösna) im nächsten Jahr in der Klassik Trophy und beim Internationalen Deutschen Bergpreis. „Motorsport gehört zu meinem Leben. Und wenn ich schon nicht mehr selbst starte, muss ich wenigstens an der Rennstrecke und im Fahrerlager dabei sein“, hat Klaus Riedel klare Vorstellungen.