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Schluss mit dem Getuschel

Die Löbauer „Tratschweiber“sind aus der Bahnhofstraße verschwunden. Auch an dem kleinen Platz soll sich etwas tun.

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© Rafael Sampedro

Von Marcus Scholz

Löbau. Für ihre Fahrt in die Schönheitsklinik haben es sich die drei Löbauer „Tratschweiber“ auf der Gabel des gelben Radladers bequem gemacht. Das Wetter hat den drei Frauen aus Elbsandstein ordentlich zugesetzt. Immerhin stehen sie schon seit 1987 in der Löbauer Bahnhofstraße, direkt vor dem ehemaligen Kinderwagenladen Henke. Über die vielen Jahre hat sich Moos auf der Plastik angesammelt und leuchtet bei entsprechendem Wetter in saftigem Grün. Das soll sich ändern. Deswegen sind die Tratschweiber am Montag kurzerhand abtransportiert worden. Lange hat ihre Reise aber nicht gedauert. Denn die Schönheitsfarm, zu der sie gebracht worden sind, liegt im Löbauer Ortsteil Rosenhain. Bei Steinbildhauer Dirk Schuldt werden die steinernen Damen die kommenden Monate verbringen und Schuldt sich ausgiebig um sie kümmern.

Die mächtige Skulptur aus Sandstein ist für den Transport kurzerhand auf die Seite gekippt worden. Ihr Zustand ist noch einwandfrei, nur das Moos stört den Anblick. Das soll sich in der nächsten Zeit ändern. Die Tratsch-weiber sind deswegen auf Kur.
Die mächtige Skulptur aus Sandstein ist für den Transport kurzerhand auf die Seite gekippt worden. Ihr Zustand ist noch einwandfrei, nur das Moos stört den Anblick. Das soll sich in der nächsten Zeit ändern. Die Tratsch-weiber sind deswegen auf Kur. © Rafael Sampedro

Für den Steinbildhauer ist das reine Routine. Denn er kennt sich mit solchen Figuren bestens aus. „Außer der groben Verschmutzung ist die Skulptur in sehr gutem Zustand“, sagt er. Deswegen müsse sie lediglich abgekärchert werden, um Moos und andere Partikel zu entfernen, so Schuldt. Anschließend sollen die Tratschweiber hydrophobiert werden. Das ist eine Art kosmetische Behandlung für Gesteine, um sie wetterbeständig, atmungsaktiv und wasserabweisend zu machen.

Dass die drei Tratschweiber überhaupt eine solche Behandlung erfahren dürfen, liegt an einer Initiative der Löbauer Bürgerliste. Mitglieder der größten Fraktion im Stadtrat sind im Internet darauf aufmerksam geworden, dass sich viele Löbauer Bürger gewünscht haben, dass das Areal vor dem ehemaligen Kinderwagenladen in der Bahnhofstraße wieder auf Vordermann gebracht wird. Dem sind sie gefolgt und haben sogar die Löbauer Stadtverwaltung von dem Projekt überzeugen können. So hat zum Beispiel der städtische Bauhof beim Verladen und Transport der Figur geholfen. Im kommenden Frühjahr sollen sich die Tratschweiber dann wieder von ihrer besten Seite zeigen.

Doch in die Bahnhofstraße kehren sie nie wieder zurück. „Geplant ist, dass die Figur auf dem Wettiner Platz wieder aufgestellt wird“, sagt Ingo Seiler, Vorsitzender der Bürgerliste. Mit dieser Lösung dürfte dann auch der Löbauer Künstler Dieter Strahl zufrieden sein. Denn er ist es gewesen, der die Tratschweiber mit eigenen Händen aus einem Stück Elbsandstein gemeißelt hat. „Die Tratschweiber sind damals zu DDR-Zeiten der einzige staatliche Auftrag meiner gesamten Laufbahn gewesen“, sagt er. 1987, als Strahl den Auftrag erhalten hat, ist er selbst bei der Stadt Löbau angestellt gewesen. Für die Stadt hat der Künstler eine Figur kreieren sollen, die das Geschehen auf dem Marktplatz widerspiegelt. So ist Strahl die Idee gekommen, drei tratschende Weiber samt einem kleinen Pekinesen zu deren Füßen abzubilden. „Das ist doch typisch für einen Marktplatz und außerdem ist in meinen Werken auch immer ein Stück Humor mit dabei“, sagt er. Und auch auf die Details der tratschenden Marktkundschaft hat Strahl nicht verzichten wollen. So blicken alle drei Frauen während ihres Gesprächs in unterschiedliche Richtungen. Ihre Beine sind nicht zu erkennen. Sie gehen einfach in den Sockel der Figur über. Auch dabei hat sich Dieter Strahl etwas gedacht. „Das soll zeigen: Wenn sie noch ein bisschen länger stehen und tratschen, dann wachsen ihnen noch die Beine am Boden fest“, sagt er. Für das Meißeln der Skulptur ist der Löbauer Künstler damals vier Wochen freigestellt und in das ehemalige Natursteinkombinat an der Äußeren Zittauer Straße versetzt worden. Die Arbeit an dem 1,75 Meter hohen Sandsteinklotz sei laut Strahl eine ziemliche Schinderei gewesen und die Steinmetze im Kombinat hätten ihn oftmals komisch angesehen. „Eines Tages habe ich dann aber eine Flasche Korn ins Natursteinkombinat geschmuggelt und ab dann war ich einer von ihnen“, sagt er. Vier Wochen hat Strahl an seinen Tratschweibern gearbeitet. Ursprünglich ist angedacht gewesen, dass die Skulptur direkt vor der damaligen SED-Kreisleitung am Löbauer Promenadenring aufgestellt wird. Ein Mitarbeiter habe dagegen aber protestiert, so Strahl, und so seien die drei Frauen in die Bahnhofstraße gekommen. Jetzt freut er sich auf das kommende Frühjahr, wenn die Tratschweiber gereinigt und überholt an ihrem neuen Platz stehen werden. „Dann kann ich endlich mal ein gutes Foto von ihnen machen“, sagt der Künstler.

Vor Henkes ehemaligem Kinderwagenladen soll sich dagegen auch ohne die Figur etwas tun. „Für das Areal gibt es einen Kaufinteressenten“, teilt Löbaus Bauamtsleiter Albrecht Gubsch mit. Dabei handele es sich um einen Unternehmer aus der Stadt. Der wolle laut Gubsch die Fläche zuerst einmal absperren. Denn: „Es ist eine übelriechende Müllecke geworden“, so der Bauamtsleiter. Was danach damit passieren könnte, dass ist derzeit noch nicht spruchreif. Gubsch freut es unterdessen, dass die Tratschweiber nach ihrer Auffrischung an einen neuen Platz kommen. „Der alte Ort ist keine so gute Stelle für das Denkmal gewesen“, sagt er. Das Ergebnis der Schönheitskur gibt es im nächsten Jahr für alle Löbauer ein paar Meter weiter auf dem Wettiner Platz zu begutachten.