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Schluss mit dem Fahrkarten-Chaos

Bus- und Bahnfahren soll im Landkreis Görlitz einfacher werden – und zum Teil auch billiger. Doch noch gibt es viele offene Fragen.

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© André Schulze

Von Sebastian Kositz und Sebastian Beutler

Görlitz/Bautzen. Wenn einer eine Reise tut, kann er was erleben – und er braucht für Bus und Bahn auch eine Fahrkarte. Oder gleich mehrere. Beispielsweise für die Fahrt von Görlitz, Niesky oder Weißwasser in die Dresdner Semperoper. Ein Ticket für den Zug und in Dresden noch eins für die Straßenbahn. Denn Ostsachsen ist in zwei Verkehrsverbünde geteilt: Im Osten der Zvon, im Westen der VVO. Die Tarifgrenze läuft mitten durch den Landkreis Bautzen. Bereits seit der Kreisfusion vor knapp zehn Jahren wird emsig über Lösungen diskutiert, wie die Menschen aus beiden Teilen der Region künftig mit einer Fahrkarte unterwegs sein können. Bisher allerdings ohne Erfolg.

Sind sich noch nicht einig über die Fusion der Verkehrsverbünde: Bautzens Landrat Michael Harig.
Sind sich noch nicht einig über die Fusion der Verkehrsverbünde: Bautzens Landrat Michael Harig. © Uwe Soeder
Und sein Görlitzer Kollege Bernd Lange.
Und sein Görlitzer Kollege Bernd Lange. © nikolaischmidt.de

Doch nun unternimmt Bautzens Landrat Michael Harig (CDU) einen neuen Anlauf – und hat sich dazu gleich noch etwas vorgenommen, was in der Vergangenheit zwar schon mehrfach besprochen wurde, tatsächlich aber nie zustande kam: eine Fusion der beiden ostsächsischen Verkehrsverbünde VVO und Zvon. Ein einheitliches Tarifsystem, so glaubt Michael Harig, ließe sich am einfachsten über den Zusammenschluss bewerkstelligen.

Bereits seit Längerem ist Michael Harig Verbundschef beim Zvon – und hat das gleiche Amt im Januar auch beim VVO übernommen. Für die nächsten Monate in seiner Doppelfunktion hat er sich einen engen Fahrplan gesteckt. Bis Mitte 2018, spätestens Anfang 2019, strebt Michael Harig den Zusammenschluss beider Verbünde an, um im Anschluss dann auch einen gemeinsamen Tarif für Ostsachsen auf den Weg zu bringen. Somit könnten nicht nur die Menschen überall zwischen Riesa, Görlitz, Hoyerswerda, Zittau und Altenberg mit nur einer Fahrkarte in der Region unterwegs sein.

Was in der Sache gut klingt, birgt allerdings in seiner Umsetzung auch Tücken. Dass die seit einigen Jahren über eine Fusion lose geführten Gespräche bisher nicht auf die Zielgerade kamen, lag auch an den unterschiedlichen Interessen der beiden Kreise Bautzen und Görlitz. Bautzen versteht sich immer stärker als Speckgürtel von Dresden, die Zahl der Pendler in die Landeshauptstadt ist um ein Vielfaches größer als aus dem Landkreis Görlitz. Dafür zeigt Landrat Bernd Lange, wie er gegenüber der SZ erklärte, auch Verständnis.

Aber für den Görlitzer Landrat stehen andere Fragen im Vordergrund: Wie können in einem größeren Verbund die Strecken im Landkreis und die grenzüberschreitenden Verbindungen nach Polen und Tschechien gesichert werden? Wie wird vereinbart, dass die nötigen Investitionen auch im Landkreis Görlitz getätigt werden? Und schließlich: Wie kann der Landkreis Görlitz seinen Einfluss im größeren Verband sichern? „Auf diese Fragen warten wir seit fünf Jahren auf Antworten“, sagt Lange. „Bis die nicht vorliegen, brauche ich mit diesem Thema gar nicht in den Kreistag gehen.“

Dabei herrschen im Zvon genau spiegelbildliche Verhältnisse zum Kulturraum. Während Bautzen bei der Kultur zusammen mit der sorbischen Stimme eine Mehrheit gegen den Landkreis Görlitz hat, haben im Zvon sowohl die beiden Landkreise als auch die Stadt Görlitz eine Stimme. Insofern ist auch die Stadt von den möglichen Veränderungen betroffen. Gegenüber der SZ mahnte der Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege bereits einen Ausgleich für die Stimmenverteilung in einem größeren Verbund ein, damit die Region nicht benachteiligt wird.

Wie der Landkreis dringt auch die Stadt zunächst auf eine Klärung der offenen Fragen. „Ein großer Verbund ist nicht von vornherein abzulehnen, aber es bedarf gesonderter vertraglicher Regelungen“, erklärte Deinege. Zugleich unterstrich er, das er nur zusammen mit dem Landkreis Görlitz verhandeln will.

Harig will nun diese Hürden abklären. „Ich habe die beiden Geschäftsführer der Verbünde beauftragt, mir zunächst die jeweiligen Bedingungen für eine Fusion zuzuarbeiten“, erklärt Landrat Michael Harig. Im Anschluss will er direkte Gespräche mit den Vertretern aus Görlitz, später mit denen aus Dresden und anderen zum VVO gehörenden Kreisen führen. „In der Sache haben alle die gleichen Vorstellungen. Es sind lediglich die Details, die noch offen sind“, zeigt sich Michael Harig zuversichtlich.

Offen ist in jedem Fall aber die Frage, wie das künftige einheitliche Tarifsystem aussehen könnte. Der VVO-Bereich ist in einzelne Zonen unterteilt, in denen Fahrkarten ihre Gültigkeit haben. Im Zvon-Gebiet wird der Preis hingegen allein über die Strecke gebildet. „Ich halte das insgesamt aber für lösbar“, sagt Michael Harig. Auch Birgit Weber (CDU), die zweite Beigeordnete im Landratsamt und zuständig fürs Thema Verkehr, glaubt nicht, dass es dabei größere Probleme geben wird: „Wir werden uns dazu auch ansehen, wie das in anderen großen Verbünden gehandhabt wird.“ Auch verknüpft sie die Hoffnung, dass durch eine mögliche Fusion die Preise für Fahrten zwischen den bisherigen Tarifgebieten sinken.

Unabhängig von den Planspielen für einen einheitlichen Tarif will Michael Harig im Fall eines Zusammenschlusses sofort die Schaffung einer einheitlichen Tageskarte anstoßen. Bereits damit ließe sich die Fahrt von Görlitz, Niesky oder Weißwasser in die Dresdner Semperoper tatsächlich mit einem Ticket absolvieren.