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Schleuser im Visier

An den sächsischen Grenzen steigt die Zahl der illegalen Einwanderer – die Bundespolizei reagiert.

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© Rafael Sampedro

Jana Ulbrich

Bautzen. Mit dem Fernglas sieht Michael Lutter den Skoda Oktavia schon von Weitem: tschechisches Kennzeichen, fünf Insassen. Verdächtig. Lutter gibt seinem Kollegen ein Zeichen. Stefan Bartusch hebt die rote Kelle und winkt den Kombi Standstreifen. „Bundespolizei. Ihre Papiere bitte!“ Bereitwillig greifen die Fahrerin und die vier Männer im Auto in ihre Jackentaschen. „Ist es wegen der Flüchtlinge?“, fragt die Frau am Steuer in tadellosem Deutsch. Die Streifenbeamten lächeln. Die Leute hier im Skoda jedenfalls sind unbescholtene Tschechen. „Vielen Dank. Und gute Weiterfahrt.“ Es hätte ja auch anders sein können.

Lutter und Bartusch haben ihren Streifenwagen an das Ende der neuen B 178 in Richtung Weißenberg postiert. Die Schnellstraße ist der Fahndungsschwerpunkt für die Beamten der Bundespolizeiinspektion Ebersbach. Seit Flüchtlinge wieder in Scharen nach Deutschland kommen, kommen sie verstärkt auch wieder über Ostsachsens Grenzen. Die Zahl der Aufgriffe im Abschnitt zwischen Hirschfelde und Steinigtwolmsdorf ist seit 2014 um 50 Prozent gestiegen. „Wir beobachten, wie sich die Routen entwickeln“, sagt Inspektionsleiter Olaf Töteberg. „Wir müssen vorbereitet sein.“ – Am Morgen in der Lagebesprechung haben die Streifenbeamten die Zahlen vom Vortag gehört: 82 unerlaubte Einreisen im Bereich der Bundespolizeidirektion Pirna, darunter 25 Syrer und zwei Afghanen in einem Zug nach Dresden, zwei Ukrainer und zwei Syrer in einem Auto auf der B 117 und ein Syrer in Bautzen, der den Beamten vor dem Polizeirevier quasi in die Arme gelaufen kam.

Kollegen nach München abgeordnet

Seit Jahresbeginn wurden von den Beamten der Pirnaer Bundespolizeiinspektion mehr als 4 000 illegale Einwanderer registriert und weit über 200 Schleuser festgenommen – mehr als im gesamten Jahr 2014. Im Vergleich zu anderen Dienststellen ist es für die Ebersbacher Bundespolizisten aber noch relativ ruhig. Ihre Kollegen von der Dienststelle Berggießhübel haben wesentlich mehr zu tun. Vor allem auf die die A 17 und auf die Bahnstrecken konzentrieren sich die illegalen Einreisen.

Und selbst das ist noch nichts gegen die Lage an der deutsch-österreichischen Grenze. Weil die Kollegen dort kräftemäßig nicht mehr hinterherkommen, haben die Ebersbacher vorübergehend 30 Kollegen nach München abgeordnet. Das ist mehr als jeder Zehnte aus der Stammbesetzung, der jetzt hier im Streifendienst fehlt. Michael Lutter und Stefan Bartusch haben einen polnischen Lkw im Visier. Der Fahrer muss die Plane aufziehen. Es sind tatsächlich nur Paletten mit Spanplatten, auch vorschriftsmäßig festgezurrt. Gar nicht weit entfernt, an der B 115, haben Kollegen zwei Tage zuvor eine Gruppe von 29 Menschen aus Syrien, Irak, Senegal, Bangladesch und Sri Lanka aufgegriffen. Sie waren ganz offensichtlich mit einem Laster über die Grenze geschleust worden.

Vor ein paar Tagen hat Stefan Bartusch in Ebersbach eine Frau aus Syrien und ihre zwei halbwüchsigen Söhne aufgegriffen, die einfach so am Straßenrand saßen. „Die Frau schien regelrecht darauf gewartet zu haben, dass jemand sie mitnimmt“, sagt der 43-jährige Polizeiobermeister. In der Inspektion bekommen die Aufgegriffenen zu essen und zu trinken, ihre Personalien werden festgestellt, ihre Fingerabdrücke genommen. Danach werden sie in den Zug nach Chemnitz gesetzt, wo sie sich in der zentralen Aufnahmestelle melden müssen. Gerade bei Syrern, die als Kriegsflüchtlinge Schutzstatus genießen, sobald sie deutschen Boden betreten haben, machen sich Schlepper heute nicht mehr die Mühe, sie bei Nacht und Nebel durch die Wälder über die grüne Grenze zu bringen – so wie das in den 1990er Jahren der Fall war. Sie setzen die Flüchtlinge einfach vor der Grenze aus. Statt über Wald und Flur laufen Schleusungen heute viel häufiger über die Autobahnen und Bundesstraßen – eben auch über die neue B 178, die jetzt in den aktuellen Navi-Updates drin ist.

Nadel im Heuhaufen

Michael Lutter hat wieder einen polnischen Mercedes-Sprinter im Blick, bei dem alle Scheiben zugeklebt sind. Der Fahrer scheint es eilig zu haben. Er transportiert keine Flüchtlinge, sondern eine Holztreppe für einen Kunden in Königswartha. Lutter gibt ihm die Papiere zurück und hebt das Fernglas schon wieder auf der Suche nach dem nächsten Verdächtigen. „Uns geht es darum, die Schleuser zu erwischen – auch wenn das wie die Suche nach der Nadel im Heu ist“, sagt der Polizeihauptkommissar.

Dabei sind die Fahrer meistens nur das kleinste Licht in den komplexen Schleuserorganisationen. Aber sie können den Beamten Informationen liefern. Und die Erkenntnisse aus den Vernehmungen wiederum helfen, die Streifen noch gezielter einsetzen zu können.