Merken

Schleifen für Pferde-Hintern

Petra Kupke hat einen Beruf mit Seltenheitswert. Seit einem Vierteljahrhundert ist sie Trachtenschneiderin. In diesen Tagen mit einer besonderen Mission.

Teilen
Folgen
© Matthias Schumann

Von Manuela Paul

Räckelwitz. Die Osterreiter lieben Blumen. Stiefmütterchen, Rosen, Kornblumen. Petra Kupke kümmert sich darum, dass die Reiter ihre Lieblingsblumen bekommen. Mit farbigem Seidengarn zaubert die Räckelwitzerin filigrane Blumenmotive auf Satin. Nadelmalerei nennt sich die hohe Stickkunst, welche sie perfekt beherrscht.

Petra Kupke ist Schneidermeisterin mit Leib und Seele. Sie arbeitet mit Nadel, Faden und Schere, näht auf Maß – mit der Maschine und mit der Hand. Eigentlich ein Beruf mit wenig Seltenheitswert. Und doch ist die Räckelwitzerin eine Exotin in ihrer Branche. Denn sie näht vorwiegend Trachten. Mit sorbischer Kleidung kennt sich die 50-Jährige aus, wie nur noch wenige. Schließlich hat es nicht nur das Trachtennähen in sich. Auch das Anziehen ist nahezu eine Wissenschaft. Petra Kupke beherrscht sie aus dem Effeff. Sie ist eine der wenigen Ankleidefrauen, die es noch gibt. Etwa anderthalb Stunden und rund 100 Stecknadeln benötigt die Räckelwitzerin, bis alle Teile einer 14-teilige Brautjungferntracht angelegt sind. Besonders schön ist es natürlich, wenn sie beim Anziehen von Röcken, Miedern und Co. helfen kann, die aus ihrer eigenen Nähstube stammen. Im Erdgeschoss ihres Einfamilienhauses hat sie sich im Laufe des letzten Vierteljahrhunderts ein kleines feines Atelier aufgebaut. Wie viele Trachten sie in den zweieinhalb Jahrzehnten genäht hat, kann sie nicht mehr zählen. Unter anderem stattete die Sorbin Kindergärten der Umgebung mit Trachten für den Vogelhochzeitszug aus.

Großer Andrang vor Ostern

Jetzt vor Ostern stehen Osterreiter Schlange, die ihre Rösser mit handgestickten Schweif-Schleifen herausputzen wollen, einen Zylinder kaufen beziehungsweise restaurieren lassen wollen oder einen Gehrock brauchen. Eine dieser feinen maßgeschneiderten schwarzen Jacken schmückt momentan noch eine Scheiderpuppe. Doch schon bald wird der Besitzer das gute Stück abholen. Auch die Schleifen sind schon so gut wie verkauft. Etwa 20 Paar gehen jedes Jahr erst durch Petra Kupkes geschickte Hände und schließlich über ihren Tresen. Bestickt mit roten, gelben oder blauen Blümchen. Auch eine mit schwarzer Stickerei ist unter der aktuellen Kollektion. „Schwarz bedeutet, dass es einen Trauerfall in der Familie gibt“, erklärt die Schneidermeisterin. Für solche Fälle leiht sie auch Trauer-Schleifen aus. 30  Paar hat sie immer vorrätig. „Aber manche möchten lieber eine kaufen.“

An Arbeit mangelt es der Räckelwitzerin nicht. Die Nähmaschine surrt im Akkord. Denn nach Ostern stehen bereits Erstkommunionen in Ralbitz und Radibor an. Und damit der nächste Höhepunkt zu dem Schleifen und Trachtenteile gebraucht werden. Kaum sind die Kommunionen durch, steht Fronleichnam ins Haus. Auch da wird Tracht getragen. Und ruckzuck ist der Sommer ran. Früher ging es im Juli und August bei Petra Kupke meist etwas ruhiger zu. Doch die Zeiten sind vorbei. Dieses Jahr wird die Schneiderin in der Zeit zehn Gardeuniformen für den Witichenauer Kinder-Karneval nähen. „Vorigen Sommer hab ich 400 Fliegen für ein Mode-Label angefertigt.“ Sollte wirklich noch etwas Luft sein, produziert sie Oster-Schleifen vor. Denn die aufwendige Stickerei braucht viel Zeit. Langeweile kennt sie wahrlich nicht.

Schritt in die Selbstständigkeit nie bereut

Als Petra Kupke Anfang März 1993 den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, eröffnete sie allerdings keine Schneiderei, sondern einen Dienstleistungsbetrieb. Damals konnte die gelernte Industrieschneiderin zwar nähen, hatte aber ihren Meisterbrief noch nicht in der Tasche. Inzwischen ist die 50-jährige Meisterin auch Mitglied der Dresdner Innung und kann auch ausbilden. Eine Umschülerin erlernte bei ihr bereits den Schneiderberuf.

Bereut hat sie den Schritt in die Selbstständigkeit nie. „Ich würde es sofort wieder machen“, resümiert die Räckelwitzerin. Damals hatte sie allerdings keine andere Wahl. Ihr Mann war schwer krank, das Haus halb fertig, sie selbst hochschwanger und gekündigt. Also ging sie den einzig möglichen Weg und das Risiko ein. „Mein Steuerberater sagte damals: Wenn du es nicht mal probiert hast, kannst du auch nicht sagen, dass es nicht läuft.“

Inzwischen weiß sie, dass es läuft. Vor allem auch, weil in ihrem Atelier sorbische Trachten entstehen. Durch diese Besonderheit steht die Räckelwitzerin immer wieder mal im Rampenlicht. Nicht nur regional, sondern sogar international. Medienvertreter aus Tschechien, Polen und der Schweiz gaben sich bei der Trachtenschneiderin in der Vergangenheit schon die Klinke in die Hand. Erst letzten Sonntag klingelten Kollegen der Salzburger Nachrichten bei ihr und für den 10. April hat sich wieder mal das MDR-Fernsehen angekündigt. „Da hat mir aber noch niemand verraten, worum es dort gehen soll.“