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Schlechte Stimmung an den Schulen

Protest wird von Radeberg aus organisiert: Schüler wollen Lehrermangel und Ausfallstunden nicht mehr hinnehmen.

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© Thorsten Eckert

Von Jana Ulbrich

Carl Gruner hat heute zwei Stunden früher Schluss. Spanisch fällt aus. Geschichte hatte der Elftklässler vom Humboldt-Gymnasium in Radeberg in den letzten beiden Wochen auch nicht. Der 16-Jährige schreit da nicht Hurra. „Wir hatten schon ziemlich viel Ausfall in diesem Schuljahr“, sagt er. Dabei ist das Schuljahr noch keine acht Wochen alt. Doch an den Schulen des Kreises knirscht es von Anfang an. Noch immer sind einige Lehrerstellen unbesetzt. Ein wachsender Teil des Unterrichts wird mit Seiteneinsteigern ohne pädagogische Ausbildung und jungen Lehramtsabsolventen ohne Referendariats-Erfahrung abgedeckt.

Ein Teil der Stundentafel ist überhaupt nicht mehr abgedeckt. „Planmäßiger Ausfall“ heißt das dann offiziell in der Statistik. „Für dieses Schuljahr können wir das nicht mehr ausschließen“, bestätigt Angela Ruscher, die Sprecherin der Bildungsagentur in Bautzen. Elke Richter, die Schulleiterin am Radeberger Humboldt-Gymnasium, hat auch kürzen müssen: Die Schüler der 5. und 6. Klassen haben vorerst weniger Sport und weniger Technik- und Computer-Unterricht, als sie laut Lehrplan haben müssten. „Es ist noch im vertretbaren Rahmen“, sagt die Schulleiterin. Was soll sie auch machen? Es gehen Kollegen in den Ruhestand und gleich drei junge Lehrerinnen in Mutterschutz- und Elternzeit. Elke Richter hat noch keinen Ersatz. „Die Schüler spüren die Personalprobleme. Sie sind ja die Leidtragenden“, sagt sie.

Protestaktion am Donnerstag

Und deshalb kann sie auch gut verstehen, dass sich Carl Gruner und die anderen das nicht mehr so ohne Weiteres gefallen lassen wollen. Die Schüler haben eine Protestaktion geplant. An diesem Donnerstag wollen sie zeigen, dass ihnen Lehrermangel und Unterrichtsausfall nicht egal sind.

„Rettet die Bildung“, wird auf dem großen Banner stehen, dass sie vom Dachgarten am Schulgebäude herablassen wollen. Die Klassen sind zu einer Fotoaktion aufgerufen. Die Fotos zum Thema Unterrichtsausfall werden im Schulhaus aufgehängt. Wer sich seine Meinung und seine Sorgen von der Seele schreiben will, kann das im „Poetenzimmer“ das die Schülersprecher am Protesttag einrichten, tun. Schulleiterin Elke Richter findet das Engagement ihrer Schüler sehr bemerkenswert. „Ich finde es gut, dass sie sich mit dem Problem auseinandersetzen und sich wirklich Gedanken machen“, sagt sie.

Lernstoff fehlt

Florian Müller macht am Radeberger Humboldt-Gymnasium in diesem Schuljahr sein Abitur. „Ich merke jetzt in der 12., dass mir Lernstoff fehlt“, erzählt er. „Aber ich kann doch in den Prüfungen nicht sagen: Das hatte ich nicht.“

Die Personal-Situation an den Schulen der Region bleibt weiter angespannt. Fest steht bereits, dass bis zum Jahresende weitere 37 Vollzeitstellen frei werden, weil Lehrer in den Ruhestand wechseln. Obwohl das lange bekannt ist, stehen keine Nachfolger bereit. Gleich gar nicht gibt es Lösungen, wenn Lehrerpersonal aus anderen ungeplanten Gründen im laufenden Schuljahr ausfällt.

Die Radeberger Schulleiterin sitzt in diesen Tagen gerade wieder über dem Umbau des gesamten Stundenplans, weil drei Kollegen ausscheiden. „Das geht jetzt nur noch mit Kürzungen und Kompromissen“, sagt sie und befürchtet, dass sie irgendwann überhaupt keinen ordentlichen Stundenplan mehr bauen kann“. Der regionalen Bildungsagentur macht Elke Richter keinen Vorwurf. „Die Mitarbeiter nutzen wirklich jeden Funken einer Chance“, weiß sie.

Lehrer werden gesucht

Das Kultusministerium hat gerade angekündigt, weitere Lehramtsabsolventen einstellen zu wollen. Ausdrücklich gesucht werden zum schnellstmöglichen Zeitpunkt Absolventen mit erstem Staatsexamen, fertig ausgebildete Lehrer und Absolventen mit dem Abschluss Master of Education. Einstellungsmöglichkeiten gebe es demnach aber vor allem an Grund-, Ober- und Förderschulen, vorrangig also nicht an Gymnasien. Seiteneinsteiger sind in dieser Bewerbungsrunde übrigens ausdrücklich ausgeschlossen. Offenbar entsprechen die bisherigen Erfahrungen doch nicht überall den Erwartungen.

Die große Protestaktion der Schüler „Rettet die Bildung“ findet an diesem Donnerstag, 15.30 Uhr, vor dem Landtag in Dresden statt. Unterstützt werden die Schüler von Eltern und Lehrergewerkschaften.