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Schlagzeuger trommelt auf Kisten

Die Band Privileg feiert ihr 40-jähriges Bestehen. Doch eigentlich gibt es die Stammbesetzung länger.

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Von Sylvia Jentzsch

Hartha. Sie waren damals 15, manche 16 Jahre alt und der Meinung, sie müssten Musik machen. Zu ihnen gehörten Frank Piasecki, Gerhard Dangl, Jochen Keller und Hans-Jürgen Estler. Alle vier wohnten Ecke Leipziger Straße/Geschwister-Scholl-Straße. Nur der spätere Schlagzeuger Matthias Ballschuh stammte aus der Damaschkestraße. „Nur einer von uns hatte am Anfang eine musikalische Ausbildung. Jochen Keller musste zum Gitarrenunterricht. Zuerst haben wir ihn belächelt. Später nahmen wir bei ihm Nachhilfe in Sachen Musik“, so Hans-Jürgen Estler, der heute noch die Fäden zusammenhält.

Hans-Jürgen Estler gehört von Anfang an zur Band.
Hans-Jürgen Estler gehört von Anfang an zur Band. © privat
So sah das erste Werbefoto der Band Privileg aus.
So sah das erste Werbefoto der Band Privileg aus. © privat

Die Jugendlichen verbrachten die Zeit nach der Schule meistens gemeinsam. Oft hörten sie Musik, auch Sender, die zu DDR-Zeiten nicht erwünscht waren. Vom Lied „Es steht ein Haus in New Orleans“ waren sie so begeistert, dass sie begannen, es nachzuspielen. Später erklangen in der Dachkammer von Jochen Keller die Akkorde von Blowin’ In the Wind und Lady in Black. „Wir haben wie wild geübt. Andere Hobbys kamen ins Hintertreffen“, so Hans-Jürgen Estler. 1972 sei dann das Fest der jungen Talente gewesen. Die Jugendband, die noch keinen Namen hatte, trat zum ersten Mal auf – alle mit Gitarre. Ein Schlagzeug gab es erst später. Zuvor spielte Matthias Ballschuh auf Schuhkartons und alten Töpfen. Später kaufte er ein gebrauchtes Schlagzeug von einem älteren Herren aus Lützschnitz.

„Heute kann man sich nicht vorstellen, mit der uns damals zur Verfügung stehenden Technik aufzutreten“, so Estler. Die Band hatte nichts. Sie war dankbar, als sie von Gerhard Dangl, der in den Textilwerken arbeitete, einen Reißmann-Verstärker für drei Gitarren und eine Box bekamen. „Der Gesang wurde über die Deckenboxen verstärkt“, erinnert sich Hans-Jürgen Estler. Die Jungs suchten nach einem Proberaum. Den fanden sie für kurze Zeit in der Spindelfabrik an der Sonnenstraße. Das Unternehmen unterstützte die Jugendlichen. Sie bekamen von der FDJ einen Vermona Verstärker 600H und einen 300H. „Später liehen wir uns von der Sparkasse 4 100 DDR-Mark. Wir haben alle dafür gebürgt und uns einen Vermona 1 000H gekauft“, erinnert sich Estler. Geprobt wurde im Flemmingener Hof. Dort gab es Unterstützung vom Inhaber Manfred Hutschenreiter. Der habe irgendwann gesagt: „So nun ist die Proberei vorbei. Jetzt tretet ihr Jungs am Freitag auf.“ Es wurde ein Name und eine Einstufung benötigt. Ohne die waren damals keine öffentlichen Auftritte möglich. Die Namensfindung sei einfach gewesen, so Estler. Im Kino wurde der Film Privileg gezeigt. Es ging um einen jungen Rockmusiker. „Das Schönste am Film war die Musik“, sagte Hans-Jürgen Estler. Die Einstufung als Band erfolgte 1976. „Dieses Jahr betrachten wir auch als das Gründungsjahr von Privileg“, so der Mann, der heute Gitarre spielt und singt.

Benefizkonzert

Das Konzert beginnt am Sonnabend um 19 Uhr auf der Freilichtbühne der ehemaligen Textilwerke.

Unter dem Motto „Anders, aber kein bisschen leiser“ spielt die Band Musik der 1960er, 70er und 80er Jahre vom Oldie über deutschen Rock bis zum deutschen Schlager. Die Gäste bekommen rockige, dynamische und teilweise neu arrangierte Lieder zu hören.

Der Eintritt ist frei. Die Musiker hoffen auf Spenden für den Förderverein der Pestalozzischule. Der will mit dem Geld die Ganztagsprojekte unterstützen.

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Nach dem ersten Auftritt im Flemmingener Hof spielte die Band, wo sie konnte – beim Kirchentag im Sauergras und in Kneipen. Mit der Werbung sei es ganz schön schwierig gewesen, so Estler. Ein Foto und ein Schreiben wurden verschickt. Das musste reichen, um engagiert zu werden. „Nach der Einstufung kauften wir uns neue Technik und Instrumente aus dem Westen. Das funktionierte über bekannte Bands, die wir bei unseren Auftritten kennenlernten“, sagt Hans-Jürgen Estler. Ein größeres Problem sei es gewesen, die Technik zu transportieren. Dafür standen am Anfang ein M21 Wolga, ein Anhänger und ein Trabant 500 Kombi zur Verfügung. Die Bandmitglieder nahmen in Döbeln und Leipzig Musikunterricht. „Schwierig wurde es immer dann, wenn einer von uns zur Armee musste. Dann wurde ein Ersatzspieler gesucht“, so der Harthaer.

1981 legte die Band eine Pause ein, um sich musikalisch neu zu finden. Gerhard Seyfarth wurde Schlagzeuger der Band Privileg. Achim Harms kam mit seinem Keyboard dazu.

„Zum Bühnenjubiläum der Flemming Band wurden wir gefragt, ob wir vier oder fünf Lieder spielen könnten. Ich bin mit meiner Gitarre zu Jochen Keller gegangen und wir haben den Entschluss gefasst, doch wieder öffentlich aufzutreten und so begann es wieder, das Fieber der Liveauftritte“, sagt Hans-Jürgen Estler. Am Sonnabend geben sie auf der Freilichtbühne anlässlich des 40-jährigen Bandbestehens ein Benefizkonzert.