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Schlachtross braucht Hilfe

Ein Zittauer will dem alten Boot vom Berzdorfer See helfen. Der Kutter braucht ein neues Skelett.

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© Matthias Weber

Von Susanne Sodan

Zittau. Dieser Kutter hat schon viel gesehen. Guido Westerwelle zum Beispiel. „Mit ihm sind wir vor Jahren über den Quitzdorfer See gefahren“, erzählt Steffen Bollmann. Der Zittauer gehört zu den Lausitzer Wassersportfreunden. Der Kutter „Glück auf“ auch, er ist seit Jahren das Flaggschiff des Vereins auf dem Berzdorfer See. „Mein Sohn hat auf dem Boot das Segeln gelernt“, erzählt Steffen Bollmann. So wie zig andere Kinder und Jugendliche bei den Lausitzer Wassersportfreunden auch. Jetzt allerdings bekommt das Boot kein Wasser mehr zu sehen. Es liegt in seinem Winterquartier, einer Halle in Schönau-Berzdorf, umgeben von Traktoren. Zum einen darf die „Glück auf“ wegen der Saisonpause ohnehin nicht aufs Wasser. Zum anderen braucht der 50 Jahre alte Kutter eine Sanierung.

Tränen bei Fahrt über Deutsch Ossig

Vereinsmitglied Michael Huss war schon dabei, als die Wassersportler ihre „Glück auf“ Anfang der 2000er zum ersten Mal sanierten. Der Verein war damals zum Segelverein des Jahres gewählt worden und kaufte mit dem Preisgeld bei einem Bautzener Händler den damals schon alten Kutter. Einen ZK 10, gebaut 1967, wahrscheinlich in der Yachtwerft Berlin. Der Kauf der Wassersportfreunde sei zwar noch segeltüchtig gewesen, aber nicht mehr in bestem Zustand, erzählt Huss. Eigentlich ist er Betriebsschlosser, seine Leidenschaft aber sind das Wasser und das Segeln. Manche kennen ihn vielleicht noch als Hafenmeister des provisorischen Hafens Deutsch Ossig. Bei den Wassersportfreunden war er von Anfang an dabei und hat sich über die Jahre die Grundlagen des Schiffbaus angeeignet. „Das Besondere an dem Kutter ist, dass man mit ihm sowohl segeln als auch rudern kann“, erklärt Huss. „Deshalb wurde er zu DDR-Zeiten viel für die vormilitärische Ausbildung eingesetzt.“

Als die Wassersportfreunde den Kutter kauften, ging es ihnen ebenfalls um die Ausbildung – vom Vereinsnachwuchs. Aber nicht nur. „Wir haben damals zum Beispiel Touren über das ehemalige Gebiet von Deutsch Ossig im Berzdorfer See angeboten“, erzählt Huss. Viele ehemalige Einwohner des Dorfes, das Ende der 80er Jahre für den Tagebau entsiedelt und dann für den Berzdorfer See geflutet wurde, nahmen an den Touren teil. „Wir hatten uns die genauen Koordinaten rausgesucht“, erklärt Michael Huss. Damit konnten die Vereinsmitglieder ihren Gästen erzählen, was sich einst dort befand, wo heute Wasser ist. Mit dem Boot fuhren sie beispielsweise die ehemalige Dorfstraße ab, erzählten von Gebäuden, die es nicht mehr gab. „Da ist sind manche Träne geflossen“, erinnert sich Huss. Einmal sei es auch gefährlich geworden. „Das war bei der Hanse Sail in Rostock.“ Bei einem der Rennen starteten die Wassersportfreunde mit der „Glück auf“. „Plötzlich wurde der Wellengang unberechenbar“, erzählt Huss. Immer höhere Wellenkämme, immer niedrigere Wellentäler. Irgendwann musste der Kutter Höhenunterschiede von bis zu vier Metern nehmen. „Da dachte ich, das war’s jetzt. Aber unser Kutter hat das geschafft.“ Solche Erlebnisse haben Spuren hinterlassen.

Der Mast brauchen dringend eine Erneuerung, erklärt Michael Huss. Durch den Wind sind im alten kleine Risse und Astausbrüche entstanden. Huss streicht über ein Metallband, das sich am Kiel des Bootes entlangzieht, die Kielschiene. „Nur noch Sauerkraut“, attestiert er. Das Schwierigste: Auch die Spanten, das Skelett des Bootes, müssen erneuert werden. 48 sind es. Dafür werden die Mitglieder des Vereins den Kutter komplett auseinandernehmen. „Was noch ganz ist, bleibt“, erklärt Steffen Bollmann das Vorgehen. „Alles andere müssen wir ersetzen.“

Keine Geschenke, lieber Geld

Das braucht Geld. Zwar übernehmen die Vereinsmitglieder die Arbeiten selbst, aber auch das Material kostet. „Wir brauchen zum Beispiel Eichen- und Mahagoniholz“, erklärt Huss. Mahagoni deshalb, weil es besser zu formen ist als andere Hölzer. Und gerade die Verkleidung braucht viel Holz. Kostenaufwendig sei auch die spezielle Bootsfarbe. „Wir können da nicht nur Klarlack draufpinseln.“ Insgesamt, so schätzt der Verein, braucht er 4 500 Euro für das Material. Dafür hatte Steffen Bollmann seinen Geburtstag kürzlich zur Spendenaktion gemacht und wünschte sich Spenden für die Kuttersanierung anstelle anderer Geschenke. Dadurch sind bereits 1 450 Euro zusammengekommen. „Wir hoffen, dass wir etwa 3 500 Euro durch Spenden und Sponsoren einnehmen können“, erklärt Bollmann. Für die restlichen tausend Euro setzt der Verein auf Crowdfunding, also eine Mengenfinanzierung über das Internet. Dafür haben sich die Wassersportfreunde bei „Viele schaffen mehr“, dem Crowdfunding-Portal der Volks- und Raiffeisenbanken, angemeldet. Dort können gemeinnützig anerkannte Vereine sowie soziale oder kulturelle Einrichtungen ihre Projekte, für die sie finanzielle Unterstützung benötigen, vorstellen. „Wir sind mit unserem Projekt noch nicht auf der Internetseite zu finden“, sagt Steffen Bollmann. „Aber das wird wahrscheinlich in den kommenden Tagen werden.“ Bei Crowdfundig ist es meist so, dass die Unterstützer eines Projektes einen kleinen Preis bekommen. Was das sein wird, steht bei den Wassersportfreunden bereits fest: eine Tour mit der „Glück auf“ auf dem Berzdorfer See. Noch dieses Jahr. „Bis Ende Juli brauchen wir unseren Kutter wieder“, sagt Michael Huss. Denn dann findet der Euroimmun-Cup statt, Huss wird Wettkampfleiter sein – auf der „Glück auf“.