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Scheuchen-Zündeln statt Hexenbrennen

Die Bürger von Bauda übten zur Walpurgisnacht zivilen Ungehorsam und überantworteten doch eine Strohpuppe den Flammen.

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© Brühl

Von Manfred Müller

Bauda. Ortschaftsrat Bernd-Dieter Flämig ist empört. „Das wird ein Nachspiel haben“, schäumt er am Baudaer Hexenfeuer. Was war passiert? Als die Mehrzahl der Einwohner mit dem Walpurgis-Fackelzug durch Dorf marschierte, hatten ein paar Spaßvögel eine Vogelscheuche auf dem Scheiterhaufen platziert. Und das, obwohl der Ortschaftsrat beschlossen hatte, in diesem Jahr keine symbolische Verbrennung zu veranstalten. Jahrzehntelang war in dem Dörfchen am 30. April eine Stroh-Hexe angezündet worden. Aber in der neu gewählten Volksvertretung regten sich Bedenken gegen diese Praxis. Besonders Ortschaftsrat Sven Mehnert wollte keine Hexe mehr brennen sehen. Was da im Mittelalter in der Realität ablief, sei nicht lustig gewesen. Der junge Baudaer hatte sogar eine Argumentation verfasst und seinen Ratskollegen zugesandt.

Gar keine Figur verbrennen

Da die Organisation der Walpurgisnacht-Fete in den Händen der Kommune liegt, kam Mehnerts Ansinnen auf die Tagesordnung, und drei der fünf Ortschaftsräte stimmten gegen die Hexe. Auch Bernd-Dieter Flämig, der es generell nicht für vertretbar hielt, eine menschenähnliche Figur abzufackeln. Gerade habe der Islamische Staat einen jordanischen Piloten verbrannt – da sollte man schon aus Pietät auf solche Späßchen verzichten. Nun ärgert sich der Baudaer maßlos über die Rebellen, die den Hexenersatz auf den Holzhaufen gelegt haben. Die sollten sich vorm Ortschaftsrat verantworten und zur Strafe zu gemeinnütziger Arbeit verdonnert werden, findet er. Sonst mache sich die Volksvertretung doch zum Affen. Die Sünder geben sich gar keine Mühe, unerkannt zu bleiben.

Erika Neumann, die Schöpferin des Scheuchs, sitzt am Biertisch nebenan. Die Baudaerin hatte all die Jahre zuvor die Stroh-Hexe gebastelt. „Ich habe das für die Kinder gemacht, nicht für die Erwachsenen“, erklärt sie. „Und die Kinder waren begeistert, wenn sie ihre Fackeln draufwerfen konnten.“ Dass der Ortschaftsrat die Sache so bierernst betrachtet, will Erika Neumann nicht akzeptieren. Nächstes Jahr, da sei sie sich sicher, werde wieder eine Hexe auf dem Scheiterhaufen liegen. Unterstützt wurde sie von der Dorfjugend, die die Puppe in einem Akt des zivilen Widerstandes auf den Holzhaufen hievte. Das Baudaer Hexenverbot hat weithin Aufmerksamkeit erregt. Die SZ berichtete darüber und die Dresdner Morgenpost. Und auch das MDR-Fernsehen tauchte kurz vor der Walpurgisnacht in Bauda auf. Überdies trat der Beschluss in den sozialen Medien eine deutschlandweite Diskussion über Sinn und Unsinn von symbolischen Hexenverbrennungen los. „Nun hat das Volk zurückgeschlagen“, sagt Ortsvorsteher Lars Dronigke und kann sich nur mühsam ein Grinsen verkneifen. Der Rats-Chef hatte gegen das Hexenverbot gestimmt, sich dann aber dem Mehrheitsbeschluss gebeugt. Ortschaftsrat Sven Mehnert, dem Bauda seine derzeitige Berühmtheit verdankt, wollte sich gegenüber der SZ nicht zum Scheuchen-Vorfall äußern. Genugtuung hingegen bei Peter Grünberg. Der ehemalige Ortsvorsteher hatte die Baudaer Walpurgisnacht zu Beginn der 1990er Jahre mit aus der Taufe gehoben. Es sei ihm darum gegangen, den Zusammenhalt im Dorf zu stärken und ein bisschen Spaß zu haben. Man müsse die politische Korrektheit nicht auf die Spitze treiben und jeden harmlosen Spaß abschaffen, meint Grünberg. Auch sein Nachfolger Dronigke sieht die Sache eher locker. Mit einem Kasten Bier könnten die Rebellen den Zorn ihrer Volksvertreter sicher wieder besänftigen.