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Schaubäckerei Kahre droht das Aus

Nach sieben Jahren soll sie weg von der Oststraße in Kamenz. Organisiert das Rathaus höchstselbst die Verdrängung?

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© Matthias Schumann

Frank Oehl

Kamenz. Lutz und Bianka Kahre haben sich vor sieben Jahren den Traum von der Selbstständigkeit erfüllt. Selbst und ständig sind sie seither in der Oststraße 49 in ihrer „Schau-Bäckerei mit Café“ zugange. Sie haben das Geschäft von Scholzes übernommen, die hier 1993 trotz einiger örtlicher Widrigkeiten eine Verkaufsfiliale mit Café aufgebaut hatten. Kahres aus Lückersdorf nahmen etwa 100 000 Euro in die Hand. So wurde zum Beispiel in moderne Backtechnik investiert, um über die sogenannte „Langzeitführung“ der Brötchen eine ganz spezielle Aroma-Qualität anbieten zu können. Daneben war man besonders kreativ – die Lessingtörtchen und die Hutbergspitzen gelten mittlerweile als Aushängeschilder des Konditorei-Handwerkes in der Stadt. Auch als Schauwerkstatt für Schulklassen hat man sich einen Namen gemacht – ganz abgesehen vom Sonntagnachmittag-Angebot, das es so häufig im Mittelzentrum auch nicht gerade gibt.

Sie die Messen schon gelesen?

Letzteres freilich könnte der kommende Café-Betreiber gleich gegenüber problemlos übernehmen. Die Stadt hat einen Investor an der Angel, der auf dem unteren Areal der abgerissenen Gartenanlage „An der Lessingschule“ einen 3 000-Quadratmeter-Supermarkt mit Bäckerei und Café sowie weiterem Ergänzungsgewerbe errichten will. Die Stadtspitze hatte zuletzt den Eindruck erweckt, als wäre die kürzlich beschlossene Bebauungsplanung für das „Sondergebiet Handel“ an der Oststraße mehr eine Idee, als ein konkretes Vorhaben. Aber daran können die Schaubäcker nicht glauben. „Die Messen sind längst gesungen“, so Lutz Kahre. „Seit einem Jahr drängt uns die Stadt auf die Aufgabe der Oststraße 49.“

Kann das wahr sein? Bianka Kahre: „Mehrfach hat uns das Rathaus Alternativstandorte vorgeschlagen.“ Zunächst sollten Kahres an den Markt umziehen, aber da hat der Chef sofort abgewunken. „Ich müsste direkt vor Ort meinem ehemaligen Lehrmeister Konkurrenz machen. Das will ich ums Verderben nicht.“ (Lutz Kahre hat den Beruf bei Bäcker Garten im Haselbachtal gelernt.) Später wurde ihnen eine Immobilie auf der oberen Oststraße angeboten. „Damit würde sich doch nichts Wesentliches für uns ändern.“

Wie Kahres längst wissen, wird die Bäckereikette, die im Supermarkt zugange sein soll, im Grunde genau das gleiche Angebot vorhalten, wie sie selbst. Also ebenfalls zum Beispiel die Brötchen-Langzeitführung. „Der wesentliche Unterschied wird der Preis sein, und da können wir gegen einen Großen nicht mithalten. Das ist Fakt.“

Es gibt keine Bestandsgarantie

Mehrfach hat die Stadt zum Beispiel in der City-Initiative den Eindruck befördert, dass auch Kahres von der Neuansiedlung des großen Supermarktes profitieren könnten, aber daran glaubt man nicht. Schon gar nicht, weil ja das Rathaus offenbar auch nicht daran glaube und stattdessen den Verdrängungswettbewerb selbst organisiere. Genau so verstehen die Inhaber jedenfalls die mehrfachen Anfragen der Stadt.

Kahres haben ihre Chancen vor Ort immer nüchtern gesehen, wie sie sagen. „Es kann für niemanden eine Bestandsgarantie geben, das wissen wir“, so Lutz Kahre. Und die Oststraße sei wahrlich kein idealer Standort, schon weil die Parkflächen vor dem Geschäft zunächst fehlten. Mit Mühe und Not und mithilfe der Stadt habe man zwei Plätze auf dem breiten Fußweg frei bekommen, aber ein weitergehender Antrag sei ins Leere gelaufen. „Wir wollten, dass die Feigstraße rechtsseitig zur Verfügung steht, aber da müsste die Einbahnstraße aufgehoben werden. Dass die im Grund unnötig ist, sieht man derzeit gut“, sagt Lutz Kahre mit Blick auf die veränderte Straßenführung während der Bauarbeiten auf der Goethestraße. Eine offizielle Antwort auf ihren Antrag zur Einbahnstraße haben Kahres nie erhalten. Irgendwann sei das Linksabbiegerproblem von der Oststraße her angesprochen worden, aber da gebe es doch genügend gute Beispiele, wie auch das zu regeln wäre.

Das wäre das Aus

Und nun? Kahres müssten noch in diesem Jahr den Fußboden im Café erneuern, haben das nötige Vorhaben aber zurückgestellt. „Schon im Dezember haben wir eine Anzeige in der Arbeitsagentur gelesen, wonach eine Bäckerkette Personal für den Zweischichtbetrieb in Kamenz sucht. Damit steht fest, dass das Ansiedlungsvorhaben weit gediehen ist.“ Trotz aller Beschwichtigungen von Stadtseite. „Wenn der Supermarkt wie geplant kommt, geben wir unser Geschäft auf“, sagen die Eheleute unisono. Gerade im Bäckereihandwerk sei der Bedarf nach Angestellten groß, schade wäre es allerdings um den verlorenen Traum der Selbstständigkeit.

Was Kahres wundert, ist übrigens die Tatsache, dass zu keiner Zeit bei ihnen angefragt wurde, ob sie das Café im neuen Supermarkt nicht selbst übernehmen würden. „So wie hier geht man mit einheimischem Handwerk einfach nicht um.“