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„Schade, dass es nicht geklappt hat“

Den verhinderten Hammermörder von Coswig erwartet eine lange Haftstrafe. Doch was kommt danach?

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© Sven Ellger

Von Jürgen Müller

Meißen. Er sagt nicht viel, aber eines betont er immer wieder gegenüber allen, die es hören wollen und auch denen, die es nicht hören wollen: „Ich wollte töten. Es ist schade, dass es nicht geklappt hat. Wenn ich eine zweite Chance bekomme, tue ich es wieder.“

Es ist offensichtlich, dass der 64 Jahre alte Coswiger Dietmar Artur H. ins Gefängnis will, und zwar so lange wie möglich, am besten bis zum Lebensende. Der Sonderling und menschenscheue Einzelgänger kommt offenbar mit seinem Leben nicht mehr zurecht. Ihm wird vorgeworfen, am 24. Januar dieses Jahres in Coswig erst einen 77-jährigen Nachbarn mit einem Hammer und einem Messer angegriffen zu haben, später dann einen weiteren Mann, der zu Hilfe kam. Beide wurden wie der Täter selbst nur leicht verletzt.

Im Verfahren wegen versuchten Mordes und versuchten Totschlags wurden am Montag am Landgericht Dresden die Plädoyers gehalten. Verteidiger Jürgen Saupe ist in einer misslichen Lage. Sein Job ist es, ein möglichst günstiges Urteil für seinen Mandanten zu erreichen. Doch der will keine Hilfe, sondern möglichst lange ins Gefängnis. Saupe hat erhebliche Zweifel, ob H. wirklich morden wollte.

„Es ging nicht um die Opfer, es ging ausschließlich um ihn. Ich habe es noch nie erlebt, dass ein Täter schon unmittelbar nach der Tat seine Verurteilung wegen versuchten Mordes einfordert“, sagt der Verteidiger. Deshalb nenne H. auch kein Motiv, deshalb zeige er keine Reue. Dies könnte dazu führen, dass er sein Ziel nicht erreiche. Die Verletzungen der Opfer sprächen nicht für ein kontinuierliches und gezieltes Handeln. Es sei nicht nachvollziehbar, dass es dem körperlich überlegenen Angeklagten nicht gelang, einen gehbehinderten 77-Jährigen schwer zu verletzten, gar zu töten. Dies spreche gegen einen unbedingten Tötungsvorsatz.

„Es drängt sich der Eindruck auf, dass er nicht töten wollte, sondern die Tat dazu dienen sollte, in den Knast zu kommen“, so Jürgen Saupe. Und das, weil er ein sinnloses Leben geführt habe, das man seinem ärgsten Feind nicht wünsche. Das begann schon in der Kindheit, als er unter den autoritären Eltern litt. „Mein Willen zählte nie etwas“, hatte H. gesagt. Als der Vater starb, mischte sich die Mutter ständig ein, selbst wenn er mal eine Frau kennenlernte.

Um „mit Gewalt“ von der Mutter wegzukommen und eine eigene Wohnung zu erhalten, heiratete der Angeklagte. Die Ehe bestand sieben Jahre, jedenfalls auf dem Papier. „Er empfand sein Leben als Last, hatte aber nicht den Mut, es zu beenden. Da geht er lieber in den Knast“, so der Verteidiger. Er stellt keinen konkreten Antrag, sondern möchte eine gerechte Strafe. Aber nicht die, die sich der Angeklagte wünsche, nämlich lebenslang.

Konkret wird dagegen Staatsanwältin Claudia Jentzsch. Die Tatvorwürfe seien nicht nur durch das Geständnis, sondern auch durch die Zeugenaussagen und die Gutachten bestätigt. „Der Plan war es, den Rentner mit einem Überraschungsangriff zu töten. Es hat nur nicht funktioniert“, sagt sie. Auch den Helfer, der eingriff, habe der Angeklagte töten wollen. Sie fordert eine Haftstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten. Nebenklagevertreter Oliver Wirz hat andere Probleme.

Sein Mandant, der geschädigte Rentner, habe große Angst, dem Angeklagten noch einmal zu begegnen, wenn dieser aus der Haft entlassen sei und davor, dass der sein Vorhaben wahr mache. „Um ins Gefängnis zu kommen, gibt es andere Möglichkeiten. Da muss man nicht zwei Menschen umbringen“, appelliert er an H., den er als „tickende Zeitbombe“ bezeichnet. Einen konkreten Strafantrag stellt der Nebenklage-Vertreter nicht, doch sollte die Strafe im Bereich des von der Staatsanwaltschaft genannten Antrages stehen.

Was mit dem Angeklagten, der seit der Tat in Untersuchungshaft sitzt, wird, wenn er mal aus der Haft entlassen wird, darum sorgt sich auch Verteidiger Jürgen Saupe. Sein Mandant hat kein Zuhause mehr. Die Wohnung wurde ihm nach der Tat von der Wohnungsgesellschaft gekündigt, zwangsgeräumt und sein Eigentum gegen dessen Willen verscherbelt. „Ich habe nur noch, was ich auf dem Leib trage“, hatte H. während der Verhandlung gesagt. „Er hat nichts mehr. Für solche Leute ist kein Platz in der Gesellschaft, wenn sie entlassen werden. Die fallen durch“, so Saupe.

Das Urteil wird am Mittwoch verkündet.