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Schachpower in Radebeul

Mit der Mannschafts-WM 50plus und 65plus läuft in der Stadt ein sportliches Highlight. Allein 24 der über 500 Spieler tragen den höchsten Titel des Großmeisters.

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© Norbert Millauer

Von Ines Scholze-Luft

Radebeul. Andreas Dückstein, Team Wien 1, ist eine Schachlegende. Der 88-Jährige – vom Weltschachbund Fide mit dem Titel Internationaler Meister geehrt – schwärmt vom Austragungsort der vierten Senioren-Weltmeisterschaft im Radisson Blu auf der Nizzastraße. Radebeul gefällt ihm und seiner Frau. Hierher ist er gern gekommen, nennt die Region ein Mekka für Schachspieler. Die Lößnitzstadt liegt ihm schon deshalb am Herzen, weil hier der Karl-May-Verleger Lothar Schmidt geboren ist. Jener Schachspieler, der als Schiedsrichter des Jahrhundertkampfes fungierte, in dem Bobby Fischer (USA) von Boris Spasski (Sowjetunion) 1972 den Weltmeistertitel holte. Der Sportlehrer und Jurist Dückstein erinnert sich an harte Kämpfe mit dem 2013 verstorbenen Schmidt, dem er zuletzt 2012 bei einem Treffen von Schachgrößen im Spitzhaus begegnete.

Als ältester Spieler der Senioren-WM hat sich Dückstein wenige Tage zuvor bei einem Simultanturnier in Altkötzschenbroda sogar dem Vielfachkampf gestellt. Gegen fünf Kinder und fünf Erwachsene aus Radebeul und Umgebung. Seinen Sieg erwähnt er nicht, dafür die vielen freundlichen Leute. Solche Kontakte sind ihm wichtig. Es freut ihn, dass er bei der WM alte Bekannte aus aller Welt wieder sieht. Immerhin sind 535 Spieler aus 23 Ländern in 107 Teams dabei. Vier pro Mannschaft und ein Reservespieler.

In wenigen Minuten muss der Österreicher selbst ans Brett. An einem Wettkampfort, wo alles klappt, wie er sagt. Jeder Spieler hat genügend Platz, es gibt ausreichend Organisatoren und Schiedsrichter, dazu ein gutes Hotel.

Das offensichtlich auch den anderen Sportlern zusagt. Wie Fridrik Olafsson aus Island, Jahrgang 1935. Der Jurist – einer der ersten Schachgroßmeister weltweit, von 1978 bis 1982 Fide-Präsident, außerdem Generalsekretär im isländischen Parlament – spricht von entspannter Wettkampfatmosphäre, lobt Lichtverhältnisse und Organisation. Igor Ryskal, Teamkapitän aus Radebeuls ukrainischer Partnerstadt Obuchiw, ist ebenfalls angetan von der Wettkampfqualität. Zum ersten Mal dabei, freut er sich über die gute Platzierung seines Teams und auf das Treffen mit den Radebeuler Schachfreunden am Montag.

Jetzt füllt sich der mit seinen 1 100 Quadratmetern riesig wirkende Saal des Radisson Blu langsam. Zwischen vielen Männern und wenigen Frauen in meist lässiger Kleidung – vom Shirt bis zu Jeans – erscheinen streng wirkende Personen im dunklen Anzug. Die Schiedsrichter. 15 insgesamt, davon sind mindestens acht immer im Saal.

Neben der schachlichen Turnierorganisation – so müssen sie die Paarungen für jede Runde ermitteln – haben sie ständig ein Auge auf die Spieler. Sind alle pünktlich am Platz, laufen alle Uhren, hat jeder seine Züge ordentlich notiert? Sind Fragen zu klären und die Handys aus? Egmont Pönisch aus Coswig kennt sich damit sehr gut aus. Er ist hier der Hauptschiedsrichter. Für Schachereignisse dieser Größe und Güte sind in Deutschland nur drei Leute qualifiziert, 150 sind es weltweit.

Schiedsrichter Martin Sebastian betreut einen besonderen Bereich im Saal. Schließlich soll die ganze Welt etwas haben von der Weltmeisterschaft. Nicht nur durch Ergebnismeldungen. Die Technik macht’s möglich. 20 der insgesamt 212 Schachbretter in der Wettkampfstätte sind höher als die anderen. Es sind elektronische Bretter, an denen gleich die Spitzenspieler der heutigen Turnierrunde sitzen. Derzeit an vorderster Stelle beispielsweise bei 50plus Armenien und Deutschland1. Dann lässt sich jeder Zug via Internet auch in Australien und Neuseeland verfolgen. Damit das klappt, achtet Martin Sebastian auch auf tadellos arbeitende Wlan-Verbindungen.

Die Liveübertragung ist zwar besonders aufwendig und daher ein Kostenfaktor, doch auch ein Plus für die Popularität des königlichen Spiels. Über 4 000 Zugriffe pro Tag verzeichnet die Internetseite des Veranstalters ZMDI Schachfestival Dresden e.V., sagt Yvonne Ledfuß vom Verein. Und schaut noch mal hin zum Nestor der WM. Andreas Dückstein hat seine Wettkampfposition eingenommen und wartet auf das Startzeichen von Turnierdirektor Dirk Jordan. Dann wird es ganz still im Saal.