Merken

Sanitäter nach Selbstmorden schockiert

Zwei Rettungsassistenten begehen Suizid. Die Kollegen in Bischofswerda und Bautzen berichten über Dauerdienste, wenig Geld und psychischen Stress.

Teilen
Folgen

Von Sebastian Martin und Christoph Scharf

Für Ronald S. kam jede Hilfe zu spät. Der 42-Jährige konnte am 19. Juni nur noch tot in seinem Fahrzeug gefunden werden. Der Rettungsassistent vergiftete sich mit einem Cocktail – wahrscheinlich aus Verzweiflung über seinen Job beim Arbeiter Samariter Bund (ASB) in Bischofswerda. „Der Fall macht uns schwer zu schaffen. Das sind Dinge, die nicht alltäglich sind“, sagt der ASB-Kreisvorsitzende Rainer Scholze. Doch der Tod von Ronald S. ist nicht der einzige Suizid-Fall eines Rettungsassistenten in den vergangenen Wochen. Bereits am Pfingstsonntag hat sich Hagen N. erschossen, der lange Zeit für das Deutsche Roten Kreuz (DRK) in Bautzen im Einsatz war.

Für viele Kollegen sind die Selbstmorde kein Wunder. „Es gibt viele bei uns, in denen eine Bombe tickt“, sagt ein Rettungsassistent, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Er betont: „Im Rettungsdienst und im Krankentransportwesen gibt es erhebliche Missstände.“ Die Angestellten würden oft Überstunden leisten und häufig schlecht bezahlt werden – vor allem die jungen Kollegen, von denen viele alkohol- und medikamentenabhängig sein sollen, um die Belastungen im Job auszuhalten.

Die Bedingungen im Rettungswesen seien nicht immer leicht, sagen auch DRK-Pressesprecherin Antonie Muschalek und der Betriebsratsvorsitzende beim DRK Michael Günzel. Regelmäßig könne es vorkommen, dass die gesetzlich fixierten 48 Arbeitsstunden pro Woche überschritten werden. Dies passiere in der Regel dann, wenn kurz vor Feierabend noch ein Einsatz angefordert werde. „Fast keiner von uns lebt noch in erster Ehe, weil wir kaum Zeit für unsere Familien haben“, sagt der Rettungsassistent.

Er und seine Kollegen kritisieren aber nicht nur die Überstunden und die schlechte Bezahlung. Auch die Arbeitsbedingungen werden angeprangert. So seien die Rettungswachen oft viel zu eng für die Belegschaft und „die Sanitäranlagen eine Katastrophe“, heißt es. In Bischofswerda plant der ASB deshalb gemeinsam mit dem Landratsamt Bautzen einen Umbau. „Den Mitarbeitern wird ein erweiterter Aufenthaltsbereich zur Verfügung stehen. Vorgesehen ist auch, den Umkleidebereich umzugestalten“, sagt Sabine Rötschke, Pressesprecherin beim Landratsamt.

Druck auf die Krankenkassen

Den Vorwurf, dass es für die Rettungsassistenten zu wenig psychologische Betreuung gibt, weisen die Verantwortlichen beim DRK und dem ASB aber entschieden zurück. Beide Verbände bieten nach eigenen Angaben genug professionelle Unterstützung an, damit die Mitarbeiter traumatische Einsätze oder besonders stressige Dienste bewältigen können. „Das Angebot wird aber sehr selten angenommen – und wir können es niemandem aufdrängen“, sagt DRK-Pressesprecherin Antonie Muschalek. Aus der Belegschaft heißt es dagegen, dass es jährlich nur 30 Stunden zur Fortbildung gäbe. „Und in dieser Zeit hören wir etwas über Fahrsicherheit und Gesetzestexte“, sagt der anonyme Rettungsassisten.

Trotz widersprüchlicher Aussagen: Fakt ist, dass sich im Rettungswesen etwas ändern muss, sagt der ASB-Kreisvorsitzende Rainer Scholze: „Wir werden Druck auf die Krankenkassen ausüben, um mehr Geld für Personal und Ausrüstung zu bekommen.“ Für Ronald S. und Hagen N. kommt diese Initiative allerdings zu spät.